Zu Beginn ist es so düster, dass man den ausströmenden Kunstnebel nur hören kann. Es poltert in den Ecken, dass nicht klar wird, ob hier schon inszeniert wird oder man gerade Ohrenzeuge von einem Bühnenunfall geworden ist. Diese anfängliche Ungewissheit ist auch schon das Unheimlichste an „Unheimliche Geschichten“, der Inszenierung makabrer Kurzgeschichten sehr frei nach Edgar Allen Poe. Aus der Dunkelheit blitzen schwarze Witwen, ein Rattenkönig im Napoleon Kostüm und maskierte Frauengestalten auf und ehe man es schafft, dem Ganzen für sich einen Sinn zu geben, ist aus Chevlier Cesar Auguste Dupin, dem ersten Serienmörder-Profiler der Literaturgeschichte in der nächsten Szene der Klassenkasper Hoppfrog geworden. Stefan Rogge und Vivica Bocks adaptieren Poes Erzählungen nicht brav anthologisch als Aneinanderreihung kleiner Gruselgeschichten, sondern werfen alles und alle in einen Topf. Die Figuren springen aus ihren Geschichten, von Szene zu Szene, vom Grusel gotischer Zeit zur „Stranger Danger“ in Zeiten von #metoo.
Folgerichtig bleibt Bérenice (Luana Bellinghaus) nicht als schöne Leiche im frischen Grab, sondern fordert Gerechtigkeit, nein Gleichberechtigung nach der Auferstehung: Auch den Männern solle das Fleisch gespalten werden – im sexuellen Sinne. Da versetzt sich Edgar Allen Poe (Tommy Wiesner) lieber selbst zurück ins Klassenzimmer der eigenen Kindheit.
So temporeich, so sprunghaft ist die Inszenierung, dass einerseits keine Langeweile, andererseits aber auch kein Grusel aufkommen mag, aber Halloween ist ja auch schon fast drei Wochen vorüber. Wirklich spannend wird die unheimliche Verknäuelung im Mörgens Theater vor allem dann, wenn sie sich stärker auf die geschriebenen Worte von Edgar Allen Poe beruft und den Doppelmord in der Rue Morgue als tränenreiche Zeugenbefragung nacherzählt. Trotzdem lag das Augenmerk wohl mehr darauf, durch die Figurenkollisionen Komik entstehen zu lassen. Diese fällt mal flach, mal spitzzüngig aus. Wenn sich zum Ende hin Cowboys, Mumien und Matrosen zum Ringelein einfinden, hat man zumindest keine Angst mehr, danach noch im Dunkeln nach Hause zu müssen. \ tg
„Edgar Allan Poes Unheimliche Geschichten“
20 Uhr, Mörgens, Theater Aachen
KlenkesTicket im Kapuziner Karree
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