„Plötzlich heulten die Sirenen.“ Auf der Bühne spannen sich neongelbe Fäden über den Köpfen der Besucher. Im Falle eines Atomkraftwerk-Super-Gaus in Tihange wären die Sirenen, die ersten Verkünder der Hiobsbotschaft. Doch, was kommt wirklich auf uns alle zu, wenn das Atomkraftwerk hochgehen sollte?
Die Hauptfigur des Stücks ist die 14-jährige Hannah, gespielt von Caroline Siebert. Bei ihr laufen alle Fäden der Handlung zusammen, sie ist auch die erste Hälfte des Stücks ganz allein auf der Bühne. Sie nimmt den Besucher mit auf ihre Flucht vor der radioaktiven Wolke, die der Südwest-Wind nach dem Super-Gau mitbringt. Hannahs Flucht aus Roetgen zum Aachener Hauptbahnhof, die sie zusammen mit ihrem Bruder bestreitet, geht dem Besucher ans Herz. Bruder und Schwester brechen auf, ohne Eltern, die sich in Lüttich und viel zu nah am Unglücksort befinden. Die Tatsache, dass die unterschiedlichen Orte, die sie durchquert, den Theatergästen nur zu gut bekannt sind, macht das Stück umso ergreifender. Der Theatergast fühlt sich, als würde er selbst vor der Wolke fliehen.
Auf ihrer Flucht begegnet Hannah unterschiedlichen Personen. Familienmitglieder, Freunde und Fremde sind Teil ihrer Reise und werden teilweise von Siebert, jedoch auch vom restlichen Ensemble verkörpert: Cornelius Engemann, Franka Engelhard, Madeline Hartig und Mehdi Salim. Sie alle tragen dazu bei, dass die Botschaft ankommt: Ein Atomunglück würde alle Menschen aus der Region betreffen, und zwar auf die denkbar schlimmste Art und Weise: Das ist keine Panikmache, sondern einfach nur Realität.
Caroline Siebert spielt die 14-Jährige – als auch den jüngeren Bruder – unfassbar authentisch. Die Bandbreite an Gefühlen, die sie auf der Bühne zum Ausdruck bringt: Ihre Angst, Verzweiflung und Trauer nimmt den Theatergast sichtlich mit. So konnten zur Premiere Tränen im Publikum nicht vermieden werden. Der Besucher wird Zeuge, wie aus einem lebensfrohen Mädchen eine von Schmerz geplagte Überlebenskämpferin wird. Sieberts dargestellte Transformation auf der Bühne: Eine wahrlich unglaubliche Leistung.
Tom Hirtz hat sich mit seiner Inszenierung „Die Wolke“ ein wichtiges Thema vorgeknöpft, das uns alle angeht. Das Stück macht uns nur zu bewusst, dass wir alle jetzt agieren müssen. Protest gegen Atomenergie ist angebracht und nötig, um bei den entscheidenden Leuten ein Umdenken zu bewirken. Wir können nur alle hoffen, dass auch Betreiber von Atomkraftwerken sich in die Theaterreihen des Das Da-Theaters setzen. Vielleicht schalten sie dann nicht nur die falsche Denke, sondern auch die Atomkraftwerke ab. \ vb
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„Die Wolke“
20 Uhr (So 18 Uhr), Das Da Theater
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