Endlich wird auf der großen Bühne des Theater Aachen wieder gespielt! Den Auftakt macht „Die Irre von Chaillot“, inszeniert von Ewa Teilmans. Eigentlich hätte das Stück schon in der letzten Spielzeit auf die Bühne gebracht werden sollen, aber da kam Corona dazwischen. Für Teilmans kein Grund zum Trübsal blasen, ist die Satire in ihren Augen ein gelungener Auftakt in eine neue Spielzeit.
„Es ist schon während der Proben spürbar, wie sehr wir alle die Kunst brauchen. Das Theater als Ort, in dem Kunst stattfindet und der soziale, direkte Kontakt, den uns die Kunst bringt“, eröffnet Teilmans das Vorgespräch. „Die Kunst ist der Ort, an dem Wunder passieren können. Und genau das zeigt „Die Irre von Chaillot“.“
Vier alte Ladys belauschen im Kiez-Café vier Verbrecher, die die Stadt Paris in die Luft sprengen wollen, da sie auf Erdöl aus sind. Deren Vernichtung, auf die die Damen hinarbeiten und die in einer Gerichtsverhandlung endet, ist lustvoll und surreal, beweist aber, dass man Träume durchaus ernst nehmen sollte. Die vier Frauen sind alles andere als der stupide angetriebene Einheitsmensch, der von den Männern verkörpert wird. Sie setzen sich für ihr Viertel ein, für den Lumpensammler, den Straßensänger und Kellner. Sie sind freiheitsliebend, voller Tatkraft und dadurch soviel menschlicher als Präsident, Baron, Makler und Prospektor. „Irre bedeutet hier in der Titulierung des Kiezes eher bunt, liebevoll, bemerkenswert“, so Teilmans. „Allerdings nicht für ihre Gegenspieler. Da sieht man mal wieder. Die einen so, die anderen so.“
Das Stück ist eine Komödie, eine Farce mit kategorischer Wirkung. „Wir brauchen diese intelligenten Komödie, die uns zum Nachdenken inspirieren und uns dennoch richtig lachen lassen.“ Und so nimmt sich Teilmans des Stückes an, inszeniert bunt und liebevoll, verzichtet an mancher Stelle nicht auf Slapstick, behandelt das Angelthema dennoch sensibel. Geht es doch um soziale Ungleichheit und selbstsüchtigen Kapitalismus, die Zerstörung eines Lebensraum einer ganzen Stadt zum Wohl des Einzelnen.
„Corona hat mir und dem Ensemble gezeigt, dass die Sensibilität zueinander, zu bestimmten Themen und auch zur Arbeit am Theater gewachsen ist. Und so furchtbar der Virus und seine Folgen für uns alle sind, es wurde doch soviel positive Energie freigesetzt, die wir jetzt auf die Bühne lassen.“
Wie man es von Teilmans gewohnt ist, interpretiert sie die Rollen auf moderne Art, schreckt vor schrillen Kostümen (Andreas Becker) und aufwendigem Bühnenbild (Elisabeth Pedross) nicht zurück, verliert aber den Bezug zum Stück nicht. „Das Bühnenbild wird die Silhouette von Paris inklusive Seine zeigen, die von Malcom Kemp geschriebene Musik lehnt sich an die Themen an.“ Rund zwei Stunden – mit Pause dazwischen – kann man ab Mitte Oktober das poetisch verpackten modernen Märchen genießen.
Mehr verraten will Teilmans aber doch nicht. Immerhin soll sich der Zuschauer selber ein Bild machen. Gewiß ist nur: „Ich hab ’ne knackige Fassung draus gemacht.“
Man darf sich also freuen auf die Irren, die mit ihrer positiven Verrücktheit die Welt wieder zurechtrücken! \ Kira Wirtz
„Die Irre von Chaillot“
Bühne, Theater Aachen
AM
RANDE
Inszenierung
Ewa Teilmans
Bühne
Elisabeth Pedross
Kostüm
Andreas Becker
Musik
Malcolm Kemp
Dramaturgie
Oliver Held
Darsteller
Ensemble und Sinfonischer Chor
WEITEREMPFEHLEN