Eigentlich hätte das Stück schon in der Spielzeit 2019 auf die Bühne gebracht werden sollen, aber da kam Corona dazwischen. Nächster Versuch 2020. Wieder musste das Stück, das die Spielzeit eröffnete, wegen Corona eingestellt werden. Dabei war das Publikum begeistert, applaudierte bei der Premiere minutenlang. Das Problem: Es durften nur 100 Zuschauer in den Saal. Und dann war wieder ganz Schluss mit den Aufführungen. Jetzt kommt die Inszenierung 2022 zum passenden Zeitpunkt zurück, weiß Regisseurin Ewa Teilmans: „Die Kunst ist der Ort, an dem Wunder passieren können. Und genau das zeigt auch „Die Irre von Chaillot“.“
Vier alte Ladys belauschen im Kiez-Café vier Verbrecher, die die Stadt Paris in die Luft sprengen wollen, da sie auf Erdöl aus sind. Deren Vernichtung, auf die die Damen hinarbeiten und die in einer Gerichtsverhandlung endet, ist lustvoll und surreal, beweist aber, dass man Träume durchaus ernst nehmen sollte. Die vier Frauen sind alles andere als der stupide angetriebene Einheitsmensch, der von den Männern verkörpert wird. Sie setzen sich für ihr Viertel ein, für den Lumpensammler, den Straßensänger und Kellner. Sie sind freiheitsliebend, voller Tatkraft und dadurch soviel menschlicher als Präsident, Baron, Makler und Prospektor. „Irre bedeutet hier in der Titulierung des Kiezes eher bunt, liebevoll, bemerkenswert“, so Teilmans. „Allerdings nicht für ihre Gegenspieler. Da sieht man mal wieder. Die einen so, die anderen so.“
Das Stück ist eine Komödie, eine Farce mit kategorischer Wirkung. „Wir brauchen diese intelligenten Komödien, die uns zum Nachdenken inspirieren und uns dennoch richtig lachen lassen.“ Und so nimmt sich Teilmans des Stückes an, inszeniert bunt und liebevoll, verzichtet an mancher Stelle nicht auf Slapstick, behandelt den Stoff dennoch sensibel. Geht es doch um soziale Ungleichheit und selbstsüchtigen Kapitalismus, die Zerstörung eines Lebensraums einer ganzen Stadt zum Wohl des Einzelnen.
Wie man es von Teilmans gewohnt ist, interpretiert sie die Rollen auf moderne Art, schreckt vor schrillen Kostümen (Andreas Becker) und aufwendigem Bühnenbild (Elisabeth Pedross) nicht zurück, verliert aber den Bezug zum Stück nicht. „Das Bühnenbild ist die Silhouette von Paris inklusive Seine, die von Malcolm Kemp geschriebene Musik lehnt sich an die Themen an.“ Und so werden die 17 Protagonisten 2022 endlich wieder die Paris-Silhouette, stürmen, auf ihr tanzen, klettern und herumstolpern.
Man darf sich also freuen auf die Irren, die mit ihrer positiven Verrücktheit diese verrückte Welt wieder zurechtrücken wollen! \ kw
30.4.
„Die Irre von Chaillot“
19.30 Uhr Bühne, Theater Aachen
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