„Das Ende von Edddy“ war der autobiographische Debütroman von Édouard Louis. In „Die Freiheit einer Frau“ erzählt er schonungslos und liebevoll von seiner Mutter. „Édouard Louis und seine Romane haben mich geöffnet. Privat und beruflich“, erklärt Wiesner. „Ich kann mich an dem Stoff abarbeiten und habe dabei erkannt, dass so gut wie jede Mutter auf ihre eigenen Weise heldenhaft ist. Darum will ich ihnen diesen Abend widmen.“ Und weil er nicht nur die Geschichte von Louis nacherzählen will, hat er sich vorab mit (bisher) 14 Mütter zwischen 30 und 92 Jahren getroffen und ihre Geschichten gehört. Er hat sie nach einem Foto gefragt, das vor ihrer Mutterschaft entstanden ist und sie gebeten zu erzählen, welchen Menschen die darauf sehen. Das war der Einstieg in viele spannende Geschichten, die er aufgenommen und dann verschriftlicht hat. 20 Seiten pro Person. Marion Bordat, die Wiesner nicht nur als Schauspielpartnerin ins Boot holte, kürzte die Texte auf je zwei Seiten herunter und wird jede Geschichte für eine Videoinstallation aufnehmen.
„Ich bin die Projektionsfläche. Ganz wertfrei. Das ist herausfordernd. Immerhin habe auch ich mit jeder Geschichte Tage verbracht,“ resümiert sie. So wird es an jedem Spielabend im Mörgens vor Beginn des eigentlichen Stücks diese Videoinstallation zu sehen geben. Vollkommen anonymisiert und doch so real. Viele Geschichten sind bewegend. „Was manche Frauen in ihrem Leben erlebt haben, ist unfassbar. Manchen ist gar nicht klar, wie sehr. Das wollen wir zeigen. Und ich bin mir sicher, spätestens wenn „Die Freiheit der Frau“ auf der Bühne spielt, wird der Schmerz kommen“, sagt Wiesner.
Dass bei seiner dritten Regiearbeit – nach „Eddy“ war er auch bei „La Voix Humaine“ für die Regie verantwortlich – seine Wahl auf Bordat als „Mutter“ fiel, war kein Zufall. „Wir sind beide groß und zackig“, sind sie sich einig. Und ein wenig ernsthafter erklären sie weiter: „Wir haben uns bei der Arbeit zu „Lulu“ kennengelernt. Seitdem passt es einfach. Als Mutter-Sohn-Paar wird es auch passen.“ „Die Freiheit einer Frau“ handelt von einer Frau, einer Mutter, die eines Tages aufgestanden und gegangen ist. Weg von zu Hause, weg aus der Gegend, weg von ihrem zweiten Mann, der wie der erste soff, schlug und demütigte. Zunächst mit Unverständnis reagiert das Kind, das getrieben ist vom tiefen Wunsch, eine andere Mutter zu haben, später aber großes Glück empfindet, sie als befreite und glückliche Frau zu erleben. „Die Befreiung ist eine Flucht. Aber auch das muss man erst mal schaffen“, so Wiesner. „Es geht immer darum: Was ist eigentlich Glück? Für jeden einzelnen. Und was ist Freiheit? Marion und ich werden Licht ins Dunkle bringen. Und Frauengeschichten erzählen, die gehört werden müssen.“ Bis zur Premiere im September wird Wiesner sicher noch die ein oder andere Geschichte hören, denn er ist total im Thema. Das weiß er auch selbst: „Damit könnte ich für immer weiter machen…“ Wir wünschen Erfolg und freuen uns auf einen besonderen Abend im Zeichen der Frau. ⇥kw
ab 22.9.
„Die Freiheit einer Frau“
20 Uhr, Mörgens, Theater Aachen
Hier geht es zur Website des Theater Aachens
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