Von Verena Bodenstein
Feuerspeiende Drachen, ein fluchbeladener Schatz, gottähnliche Helden und Heldinnen und Tarnkappen, die einen verschwinden lassen – die Geschichten um die Nibelungen lassen jede „Game of Thrones“-Folge blass aussehen. Regisseurin Christina Rast hat sich Hebbels Trauerspiel „Die Nibelungen“ für das Theater Aachen angenommen. Inge Zeppenfeld übernimmt die Dramaturgie. Zusammen hinterfragen sie, warum ein Volk sich gnadenlos in den Untergang treibt, wie es die Burgunden in den „Nibelungen“ tun.
Hunderte Sagen spinnen sich um die Nibelungen. Die wohl bekannteste Version ist unweigerlich das mittelhochdeutsche „Nibelungenlied“, das im zwölften Jahrhundert von einem unbekannten Schriftsteller festgehalten wurde. Es berichtet von geschichtlichen Ereignissen und mythischen Geschehnissen. Mitte des 19. Jahrhunderts widmete sich Friedrich Hebbel, der Sohn eines Maurers und avancierter Schreiber, der beliebten Heldensage. Sein Werk „Die Nibelungen“ entstand. Ein Trauerspiel, das zeigt, wie Nationalismus und die persönliche Verletztheit einzelner Charaktere ganze Nationen zugrunde richten können.
„Es ist ein Stück, das auf der einen Seite sehr brutal, auf der anderen Seite an einigen Stellen aber auch fast schon komisch ist“, sagt Chefdramaturgin Inge Zeppenfeld. Für diese Mischung galt es auf der Bühne eine eigene szenische Form zu entwickeln.
Egoistische Motive und Intrigen
Die Story: Held Siegfried (Tommy Wiesner) tut sich mit Gunther, dem König der Burgunden (Julian Koechlin), zusammen, um die Isländerin Brunhild (Melina Pyschny) mit einer List zu Gunthers Gemahlin zu machen. Die List gelingt, sodass König Gunther sein Versprechen gegenüber Siegfried einhält und ihm gestattet, seine Schwester Kriemhild (Stefanie Rösner) zu ehelichen. Die Männer haben allerdings ihre Rechnung ohne die Frauen gemacht. Denn Brunhild deckt die List auf und dürstet nach Vergeltung.
Die folgenden Ereignisse sind schwerwiegend: Brunhild erhält ihre Vergeltung im Mord an Siegfried durch Hagen (Benedikt Voellmy). Die darauffolgende Trauer Kriemhilds wandelt sich schnell in Rache. So spinnt sich das Netz aus Intrigen weiter und gipfelt anschließend im nationalen Gemetzel: der Schlacht der Hunnen und Burgunden. Für die Inszenierung von „Die Nibelungen“ arbeitet Christina Rast mit ihrer Schwester Franziska Rast zusammen, die die Gestaltung des Bühnenbildes, wie schon in „Faust 1 + 2“, übernimmt.
Ausgehend von dem Symbol der deutschen Eiche wurzelt das Nationalepos in einem stämmigen, skelettierten Wald, wo die Burgunden von vergangener Größe träumen. Dann geht es in den stürmischen Himmel von Island, und am Ende landen die Burgunden bei den Hunnen am Schlachtbankett. Zusammen mit den Kostümbildnerinnen Sarah Borchardt und Edda Wieler, die für die jeweiligen Welten lustvoll verspielte und zeichenhaft überhöhte Kostümbilder entworfen haben, und mit der Live-Musik von Malcolm Kemp wird der Nibelungenkosmos für das Aachener Theater entwickelt. Elf DarstellerInnen beschäftigen sich mit Figuren, die, so Christina Rast, „nie eindeutig dem Bösen oder Guten zuzuordnen sind, sondern in ihrer eigenen Dreistigkeit, Gier, Verblendung oder Selbstverherrlichung gefangen und zerrissen sind. Und sehenden Auges in den Untergang segeln.“ Die Nibelungen haben alles, was eine gute und spannende Geschichte menschlicher Fehleinschätzungen ausmacht – zusammen mit den freudianischen mythischen Elementen ergibt das ein „wahnsinniges, lustvoll schauerliches Märchen für Erwachsene“. \
16.+23.3.
„Die Nibelungen“
19.30 Uhr, Bühne, Theater Aachen
Am Rande
Zur Zeit des Natinalsozialismus wurde die nahezu unbesiegbare Figur Siegfried als Ideal eines deut-schen Mannes betrachtet. Von den Nibelungen inspiriert, ist auch der Begriff „Nibelungentreue“, der eine bedingungslose, emotionale und potenziell verhängnisvolle Treue beschreibt. Zur Zeit des Zweiten Weltkriegs nutzten die Nationalsozialisten den Begriff für ihre Propaganda.
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