Mit 30 war ihre Mutter schon verheiratet, ihre Oma bereits dreifache Mutter, ihre Urgroßmutter Witwe mit vier Kindern und ihre Ur-Ur-Ur-Urgroßmutter bereits gestorben. Julie ist Ende Zwanzig und hat keine Ahnung, was sie will. Sie hat Medizin studiert, bis sie feststellte, dass sie Psychologie viel mehr interessierte, bevor sie dann doch lieber auf Fotografin umsattelte. Und immer wieder beginnt sie eine Beziehung, nur, um sich neu zu verlieben.
Als Julie in der intellektuellen Künstlerszene Oslos den gefeierten Underground-Comicautoren Aksel kennenlernt, hat sie sofort Schmetterlinge im Bauch, was in einer Beziehung mündet. Die beiden scheinen sich perfekt zu ergänzen, lachen über dieselben Witze und führen lange Gespräche bis tief in die Nacht. Als sie jedoch eines Tages auf Eivind trifft, setzt es in ihr einen Gedanken frei, der die Nähe zu Aksel zerfrisst.
Die scheinbar unendliche Vielzahl der Möglichkeiten unserer Zeit wägt vor allem Unter-Dreißigjährige in einer trügerischen Freiheit, die sich leicht ins Gegenteil verkehren kann. Das Versprechen, alles sein zu können, steht der Entscheidung für einen geraden Lebenslauf oft im Weg. Der norwegische Autor und Regisseur Joachim Trier analysiert diese „Krankheit“ einer ganzen Generation in seinen Werken (siehe rechts) mit genauem Blick. Mit „Der schlimmste Mensch der Welt“ schließt sich nun der Kreis seiner Filme über junge Menschen in Norwegens Hauptstadt. An seiner Seite ist erneut Drehbuchautor Eskil Vogt, mit dem ihn, ebenso wie mit Aksel-Darsteller Anders Danielsen-Lie, eine lange kreative Partnerschaft verbindet, und der mit dem Mystery-Drama „The Innocents“ jüngst seine ganz eigene, bemerkenswerte Regiearbeit vorlegte.
Ihre sorgfältig ausgearbeitete Geschichte in zwölf Kapiteln plus Pro- und Epilog spiegelt die menschlichen Verhaltensweisen mit all ihren Fehlern und Widersprüchen. Dabei trifft ihr Film einen universellen Nerv, bei der internationalen Kritik ebenso wie beim Publikum – zu Recht regnete es jede Menge Lob, viele Auszeichnungen und schließlich sogar zwei Oscarnominierungen für das beste Originaldrehbuch und den besten internationalen Film. Großen Anteil an diesem Erfolg hat auch Renate Reinsve in der Hauptrolle der Julie, die in Cannes im letzten Jahr vollkommen verdient mit dem Preis für die beste Darstellerin geehrt wurde. \
„Der schlimmste Mensch der Welt“
N/F/S/DK 2021 // R: Joachim Trier
Start: 2.6. | 128 Minuten | FSK 12
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