Der Typ ist höllisch gut“, meinte einst der für Lobhudeleien unverdächtige Miles Davis. John McLaughlin erinnert sich mit Dankbarkeit an diese Zeit. „Jedes Mal, wenn ich ihn sah, steckte er einen 100-Dollar-Schein in meine Hemdtasche: ,Achte darauf, dass du isst; deine Miete zahlen kannst.‘ … Er war ein echter Mentor für mich, musikalisch und menschlich“, so McLaughlin über seine damalige Zeit mit Davis, auf dessen wegweisenden Electric Fusion Jazz-Alben „Bitches Brew“, „In A Silent Way“ oder „On The Corner“ er Gitarre spielte.
1969 war der junge Brite in die USA gekommen. Begonnen hatte er im Genre Bluesrock, doch noch vor Miles Davis fand seine erste Feuertaufe in der Gruppe Lifetime des Schlagzeugers Tony Williams statt. Spätestens hier wurde die Spreu vom Weizen getrennt (zwischenzeitlich jammte er auch mal mit Jimi Hendrix in New York), und Miles Davis wurde auf ihn aufmerksam. McLaughlins erste eigene Band wurde dann für rund fünf Jahre zum Adressat unzähliger Jazz-Poll-Ehrungen. Nicht verwunderlich, spielten doch im The Mahavishnu Orchestra weitere Koryphäen wie Billy Cobham, Jerry Goodman oder Jan Hammer. Die hochenergetische Musik des Quintetts sorgte für einen musikalischen Quantensprung im Jazz: der virtuos gespielte Jazzrock integrierte traumwandlerisch ebenso Funkelemente wie auch das melodische Konzept der Ragas aus der klassischen indischen Musik.
Auch nach Auflösung des Mahavishnu Orchestras ging McLaughlin konsequent einen Schritt weiter. Mit der Band Shakti (Energie) tauchte er tiefer in die indische Musik sein. Vorab hatte er mehrere Jahre lang klassische indische Musik studiert und auch das Lauteninstrument Vina zu spielen gelernt. Ein weiterer Meilenstein in seiner Karriere waren die weltweiten Konzertreihen mit Al Di Meola und Paco De Lucia. Lucia brachte das Element Flamenco in die künstlerisch nicht gerade arme Welt des Gitarristen John McLaughlin. Letztlich ist die beeindruckende musikalische Vita des John McLaughlin viel zu lang, um sie hier angemessen abbilden zu können.
Im Januar ist dieser große Musiker 80 Jahre alt geworden. Doch von Müdigkeit keine Spur! Und nicht, dass John McLaughlin seinen kreativen Output an neuen Alben während der Corona-Pandemie gar eingeschränkt hätte. Im Juni letzten Jahres veröffentlichte er mit „Liberation Time“ ein Lockdown-Album, an dem neben allen Mitgliedern seiner Band 4th Dimension auch viele Gäste wie Pianist Roger Rossignol oder Schlagzeuger Vinnie Colaiuta mitwirkten. Aktuell erscheinen bei unterschiedlichen Plattenfirmen legendäre Konzertaufnahmen des britischen Gitarristen: „The Montreux Years“ zum Beispiel, Konzertaufnahmen vom Schweizer Jazzfestival der Jahre 1978 bis 2016 (BMG) oder die lange verschollen geglaubte Aufnahme des zweiten Konzerts von Al Di Meola, John McLaughlin und Paco De Lucia vom Dezember 1980 in San Francisco (earMusic). Das damalige erste Konzert erschien als Liveplatte unter dem Namen „Friday Night in San Francisco“ und gilt als das bekannteste Live-Akustikgitarren-Album überhaupt. Es verkaufte sich weltweit über 2 Millionen mal.
Seit 2009 spielt McLaughlin mit seiner international besetzten Allstar-Band namens The 4th Dimension. Mit Gary Husband (Keyboards, Drums), Ranjit Barot (Drums) und Étienne M’Bappé (Bass) wurde The 4th Dimension schon als „Mahavishnu Orchestra des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet. Eine 2017 aufgenommene Liveplatte aus dem Londoner Jazzclub Ronnie Scott‘s widerlegt diese These nicht. Dieser Text begann mit einem Lob von Miles Davis, er endet mit der Aussage von Pat Metheny: „John McLaughlin ist der größte Gitarrist der Welt“. \ ⇥Von Richard Mariaux
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