Von Luca Mariaux
Zwischen Kleinstadtidylle und teils auch fordernden Performances kommen Interessierte auf ihre Kosten: Das Festival hat sich als Gradmesser musikalischer Innovation etabliert. Eine geschätzte Kollegin pflegte zu sagen: „Dreimal ist ’ne Tradition“! Man darf aber davon ausgehen, dass die Gründer, Kuratoren und Organisatoren des „meakusma“-Festivals in Eupen gar nichts dagegen haben, in die Geschichte der beschaulichen und kulturell sehr engagierten Stadt in Ostbelgien einzugehen. Aber was wird im benachbarten Eupen denn weitergegeben? Vielleicht könnte man sagen: Offenheit, Freundlichkeit und ein Gefühl von Heimat. Die letzten Jahre lassen vermuten, dass diese Werte – vielleicht bis auf den letzten – eine von uns überschätzte Rolle im europäischen Zusammenleben gespielt haben. Auf dem „meakusma“ zeigt sich: Sie sind unterschätzt.
Da gibt es sicherlich die Gäste, für die es das einzig relevante Festival der Region ist, weil hier spannende Künstlerinnen und Künstler der Avantgarde aufgefahren werden, es gibt aber wieder andere, die nur einige wenige kennen und das Septemberwochenende vor allem wegen der familiären Atmosphäre schätzen oder sich gern überraschen lassen. Statt Klo-Wagen, Müllbergen und Lichteffekt-Eskalation setzt das „meakusma“-Team auf liebevolle, aber minimalistische Dekoration, viel Komfort (Kissen und gutes Essen) und ein unverwechselbares Repertoire zwischen elektronischer Musik, Jazz, Rock, Performance und bildender Kunst.
Zwar droht absehbar keine Gefahr, von Horden subkulturell Begeisterter überrollt zu werden, wie das jährlich in Wacken geschieht – Trotzdem hat es das kleine, charmante Musik- und Kunstfestival geschafft, zu wachsen. In diesem Jahr werden 2.800 Besucher erwartet, was für die Organisatoren Grund war, die einzelnen Veranstaltungen räumlich noch stärker zu entzerren, als schon in den Vorjahren geschehen.
Das heißt: Zusätzlich zur Hauptlocation im Alten Schlachthof, IKOB-Museum und der Friedenskirche wird in diesem Jahr auch die größere und für sich sehenswerte Barockkirche St. Nikolaus bespielt. Davon versprechen sich die Veranstalter, die angenehme Atmosphäre vor allem zur Primetime Samstagabends zu erhalten, tatsächlich wurde es im Vorjahr stellenweise etwas zu voll.
Eine der Besonderheiten dieses Jahres wird das „Zamenhof-Projekt“ sein. Der junge polnische Theatermacher Jerzy Bielski ist eingeladen, um sich „irgendwo zwischen einem Konzert, einem Museumsbesuch und einer Theater- oder Tanzproduktion“ mit Ludwik Zamenhof, dem Utopisten und Erfinder des Esperanto, auseinanderzusetzen. Das Projekt passt nicht nur in den interdisziplinären und internationalen Ansatz des Festivals, sondern greift gleichzeitig seinen regionalen Aspekt auf: Unweit von Eupen im heutigen Kelmis lag zwischen 1816 und 1919 ein gemeinsam von Belgien, den Niederlanden und Preußen (beziehungsweise später dem Deutschen Reich) verwaltetes Territorium namens „Neutral-Moresnet“ – ein bizarres, rohstoffreiches Anhängsel des Wiener Kongresses. Moresnet wurde ein wichtiger Ort der „Esperanto-Bewegung“, die aus der Kleinstadt einen eigenen Staat namens „Amikejo“ (Ort der Freunde) machen wollten. Sein Sonderstatus ließ das ehemalige Dorf zur neuen Heimat Ausgestoßener aus ganz Europa werden. Mit den Sprüchen, die „meakusma“-Besucher wohl häufiger für Ihren Geschmack aushalten müssen, schließt sich hier der Kreis.
Was hat das Programm in diesem Jahr sonst zu bieten?
Liz Harris (aka Grouper) und Roy Montgomery bringen Ambient und Folk zusammen, Georgia sind wieder dabei, genau wie Ben UFO und seine Entourage. Der Minimalist Arnold Dreyblatt kommt mit Konrad Sprenger, Joachim Schütz und dem Orchestra Of Excited Strings nach Eupen. Und der berühmte Neoexpressionist Albert Oehlen ist zusammen mit dem Produzenten Jens Uwe Beyer (Popnoname) eingeladen.
Im Gespräch macht sich einer der Veranstalter bereits langfristigere Gedanken über die Zukunft des Festivals: „Wir müssen uns schon überlegen, ob wir hier jährlich Künstler aus der ganzen Welt einfliegen können“. Hier zeichnet sich ein eindeutiger Zielkonflikt ab, schließlich lebt das „meakusma“ auch davon, Ideen aus verschiedensten Erdregionen zusammenzuführen. \
Am Rande
Neben dem Musikprogramm gibt es wieder eine Reihe von Installationen, Künstlergesprächen, Radioshows, Filmvorführungen und anderen Besonderheiten. Infos dazu findet ihr auf der Festival-Website. \
6.-8.9.
„meakusma-Festival“
diverse Uhrzeiten, diverse Orte
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