Zumindest ein gelegentlich sichtbarer Hund des Fotografen Paul Trienekens steigert den Grad an Natürlichkeit dieser fotografierten Ausstellung, die auf diese Weise in Details, als Gruppierungen und als Raumzusammenhang dokumentiert, für die Betrachter online abrufbar ist, in etwa wie ein Katalog mit Fotos, nur dass hier Raumkonzept und Rahmungen mit sichtbar sind. Und doch ist es nur eine vermittelte Wirkung mit Kompositionsappeal.
Die Lichtverhältnisse sind dabei nicht einmal besonders anders oder optimierter. Was fehlt also noch zur eigenen Wahrnehmung, wenn man auf meist nicht erlaubtes Tasten, auf selten wichtiges Riechen und nur bei Videos oder in besonderen Raumklanginszenierungen eingesetztes Hören verzichten muss und nur das Sehen hat? Ein Foto bildet schon die Natur physikalisch anders ab und räumlich Gestaffeltes wird dort flächig nebeneinander gebracht, Farben verschieben sich, Objektive verzerren. Das Wahrgenommene wird dabei fremdfokussiert. Das ist methodisches Merkmal einer selektiven Zusammenführung von Bildelementen und deutende Herstellung von Bezügen und Gewichtungen durch den Blickwinkel des Fotografierenden. Man kann nicht den eigenen Sehinteressen folgen, nur innerhalb des gegebenen Bildwerks. Die Materialität und Lichtwirkung im Wahrnehmen von Betrachtenden ist zudem anders und in ihren Nuancen nicht durch einen Reliefdruck oder ein Foto oder ein Digitalbild zu ersetzen. Die Bilder entfalten im Original eigene Ausdruckskraft, die in das bloße Bildmotiv oder die abstrakte Komposition einen anderen Charakter bringen: die Materialität, die poetische Sogkraft, das Berührtsein, die Schönheit und die Qualität, bzw. Intensität, die sich mit allen Sinnen durch Anwesenheit und Tagesstimmung komplexer entfalten und deren individuelle Wechselwirkung beim Feuern der Synapsenspuren im Gehirn anders haften bleiben, die anders Assoziationen hervorrufen, anders einen Neuansatz, eine sinnreiche Kombinatorik, ein Gefühl, einen Gedanken treffend widerspiegeln. Die Anwesenheit ist frei von der Vorgabe einer analytische Distanz im Foto, wenn Fotos als Dokument fotografiert werden.
Auch sonst. Lernvorgänge, Lebenserfahrung, Menschenkenntnis bilden sich nicht nur durch blanken Input, sondern durch Personen, die begeistern und gewichten, zur Meinungs- und Menschen-Bildung treiben, durch die Veränderung der Natur also, die man auch selbst als Wesen ist und die als andere Welt da draußen Thema der Ausstellung ist, eben Natur und das in Corona-Zeiten, wo ein Virus ganz natürlich evolutioniert und Natur nicht nett zum Menschen ist, wie er seit langem nicht zu ihr. Rückschläge und Zurückschläge. Im Umgang damit Einschätzungen. Natürlich, naturbelassen, naturidentisch, Naturkatastrophen. Hambi, Fridays for future und der Klimawandel haben gerade etwas Medienpause und die Natur erholt sich, weil der Virus geschafft hat, was die Klimakonferenzen nur zäh voranbringen: wirtschaftliche Veränderungen, weltweiten Teilshutdown. Exponentielles Virenwachstum gegen fortwährende, möglichst zweistellige Shareholdervalue-Wachstumsraten. Auch wenns die in bestimmten Branchen weiter gibt, ergibt sich eine Erholungskur für die Natur, aber Stress für die Menschen.
Wie drückt sich der Naturzustand bei den Künstlerinnen und Künstlern aus, die in ihren Ausdrucksformen bleiben und ihren spezifischen Blickwinkel stilistisch nicht verlassen? Nicht ganz entzaubert, aber doch recht unverklärt. Ein paar Statements zu den Fotos, damit sie eigenständig Suchspaß haben.
War früher ein kostengünstiges Verwerten von Zivilisationsresten Formspiel und Wiederverwertung von abgesunkener Kultur, ist jetzt ein munteres Spiel mit Wegwerfprodukten (Yes, we can) negativer Fingerzeig und in seiner heiteren Figurativität mit Kaugummi-ekelpop vielleicht einigen nicht endzeitlich genug. Ist das atmosphärisch dem schönen Verfall von Blumenstilleben mit Insektenfraß ähnlich, Softprovo oder unbedarft?
Zwischen Klima und Amok
In aller Sachlichkeit wechselt andernorts der Rhythmus buchstabenungetreu zwischen KLIMA und AMOK. Motorisch gut gemachte Verzweiflung über routinierte mediale und globale Psychologie angesichts der Schieflage zwischen Mensch und Natur zwischendurch, sediert im aktuellen KOMA.
Ein Waldstückträgerschiff im Weltenbaum gestrandet, wie ihrerseits Baumhauskontinuität im Hambi obendrauf. Ein exemplarisches Stück unscheinbarer Natur und Utopie mit sendungsbewußtem Blick nach oben in die Kronen der Schöpfung, derweil man den Waldboden unter den Füßen verliert. Gestrüpphaftes Gehölz als farblos reine Vision und lebloses Freiheitssymbol. Komplex und wahrhaft unfroh machend. Sehnsucht und Bitternis als Motor, neue Wege zu probieren.
Hockneyhaft zerteilter Blick erschließt das Waldstück wuchtig in schwarz-weißen Kacheln. Kohlegezeichnet und radiert spielt Sonne graphisch im Geäst. So schlicht und schön zugleich. Natur muss nicht exotisch sein, um sich an ihr zu laben.
Da segelt es dahin, das anfangs bunte Tütenmeer, um ebendort zu stören, in menschenleerer Ferne, denn niemand will den Müll, zu dem die schön verpackten Versprechungen diffundieren, die hier mit eigenen Waffen geschlagen werden. Als Teppichflor geschieht es nämlich anderweitig. Unrühmliches versammelt hier die Kunst, was das Verhältnis Mensch zu der Natur betrifft, die meist mitnichten Rankinglisten anführt, die Allgegenwärtige, Gestrüpp, banales Kraut und unterschätzter Urwald. Das alles um uns ist Natur und nichts ist überflüssig, doch scheint die Würde der Natur dem Menschen nicht unantastbar.
Der Mensch gestaltet und sortiert den feinen Flor von Fruchtgut und Verfall der Pflanzenwelt in zarter Farbigkeit als Muster von Strukturen, die so massiert als Kunst den Anspruch auf Beachtung hegen.
Der kleinen Form, dem unscheinbaren Pflanzentum, widmet sich so manches Werk und streift das Ornament, die dicht gewebte Formweltschlinge. Kleinteilig und summiert, das ist der Generalbass des Gezeigten. Ansonsten wird es haarig digital oder sintflutverstriffen aus- und einblickmäßig.
Ein Flutlicht quasi markiert die künftige Hochwasserlinie eines finnischen Hauses. Ein Silberstreifen Abendlicht begleitet die befremdliche Erfahrung Thailand. Im Ungefähren und der Ahnung liegt, was der Mensch von Umwelt weiß, der er sich mehr und mehr in Metropolen und virtuelle Räume entzieht. Entziehen Sie sich nicht, gehen Sie online, wenigstens.
Zu diesem Projekt NATÜRLICH! Gehört neben der online-Ausstellung mit erwerbbaren Werken auch die Baumpflanzaktion von Monika Radhoff-Troll und Kindergartenworkshops von Monica Reschka zum Thema “Die Welt von morgen” aus der Sicht von Kinderaugen. Eine weitere Ausstellung mit den Werken der jungen Künstler wie auch mit den Dokumentationen der Baumpaten über den Werdegang ihrer Schützlinge ist im Atelierhaus geplant. Für alles drei gilt gleichermaßen: Die Hoffnung stirbt zuletzt. \
bis auf weiteres
„Wie wir in den Wald hineinrufen“
Atelierhaus Aachen
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