Von Dirk Tölke
Imagemäßig irrlichtert Karl von Monschau (*1944) zwischen Grand Seigneur, Kunst-Pate, langjährigem Szenekenner, gediegenem Handwerker, frechem Experimentator, materialliebendem Arrangeur, kratzbürstigem Provokateur, Meister des Ephemeren und aufgewecktem Zeitgenossen. Er bleibt ein ungezähmter Widerspenstiger, einer, der für die Kunst ringt und der ¬Initiator für Künstlergruppierungen und Raumnutzungen geblieben ist. Er ist über das Kunstgeschehen informiert und greift ein. Er bringt etwas in Gang, schafft Gelegenheiten und ist immer für eine Überraschung gut.
Auf dem schmalen Grat zwischen Anpassung und Wagnis, zwischen zu viel Marktgängigkeit und kritischer Beobachtung mit Nutzung von Methoden zur Aufmerksamkeitserzeugung, hat sich Karl von Monschau mehr auf die Wagnisseite verlegt. Schon in seiner Lehre und früheren Tätigkeit als Schaufenstergestalter wusste er Aufmerksamkeit zu erwecken und Grenzen zu erweitern, etwa mit bevölkerten Vogelkäfigen in Vitrineneingängen. Drei Auslöser scheinen für seine rezeptiv reagierende Kunst geblieben: die Reaktion auf leere Räume, die er als Ateliers umnutzte oder mit Installationen bespielte, Begriffe, die ihn faszinierten und mit denen er spielte (Opferanode, Schutzraum, Wirtschafts, Sator-Arepo, … ) und das Zusammenführen von Künstlern in Gruppen und Vereinen, um sich Gehör zu verschaffen.
Verwaltung ist nicht sein Ding, sondern freies Weiterziehen und Räume besetzen, wie andere Material verarbeiten. Das weiter so hat er Zäheren überlassen. So wenig wie in Aachen ein Karnevalsverein genügen würde, wäre die individuelle Freiheit der Kunst, ihre vielfältig auf eine vielfältige Welt reagierende Anzahl von Blickwinkeln und Ausdrucksformen mit einem Museum, einer Galerie, einem Ausstellungsraum, einem Verein abgedeckt. Da schaffen Interessen und Generationswandel neue Bündnisse. Nach Künstlerbund 1953, Gegenverkehr, Gruppe 65 und IBK hat Karl von Monschau den heute in Produzentengalerien ausdifferenzierten Anstoß gegeben zur Gründung des NAK (1985) und des BBK (1995). Darüber hinaus setzte er sich für Gemeinschaftsinitiativen von Künstlern ein, um dadurch sowohl deren Erfahrungsaustausch untereinander zu unterstützen als auch gemeinsame Ausstellungsveranstaltungen zu ermöglichen. So gehörte er 1979 in der noch nicht durchrenovierten Aula Carolina zu den Gründungsinitiatoren der Freien Sommerakademie Aachen (FSA), er richtete nach dem Vorbild von Paul Claudel und den Kölnern in St. Fronleichnam den Aschermittwoch der Künstler ein, eine Begegnung von Kirche und Kunst, die jährlich in über 100 Städten stattfindet. Schließlich gründete er im Jahr 2000 das „Mobile Büro für Kunstaffären“, welches jeweils unter anderem als Mitorganisator und Ansprechpartner bei diversen Veranstaltungen in Erscheinung tritt. Damit wurde er 2013 Ausrichter des 1973 vom Fluxuskünstler Robert Filiou initiierten und weltweit gefeierten 1.000.050. Geburtstag der Kunst. Und dann schuf er mit „Carte Blanche“ ab 2005 einen Rahmen, der abwechslungsreich Paarungen oder Themenbindungen von lokalen Künstlern vorführte, die geeignet sind, über Qualitätsanforderungen nachdenken zu lassen und bei aller Experimentierfreude um ästhetischen Wert und innovative Ausdruckskraft ringen.
In all dem hat er aus den alltäglichen Gegebenheiten seiner Alltagswelt, wie jemand, der die Schaufenster der ganzen Stadt kennt, selbst anregende Kunstobjekte und Kleinserien entwickelt, die dem Schnoddrigen und Achtlosen entnommen, aber nicht schnoddrig belassen mit Detailliebe und Professionalität umgesetzt wurden. Er ist ein Künstler, der Dinge aufgreift und schärft oder ästhetisiert, spielerisch, bisweilen politisch und frei.
Das Provozieren, besser der mit Autoritätsvorstellungen brechende kämpferische Impetus seiner Generation ist durch allerlei Erreichtes und Herberes schwieriger geworden. Die Freiheit und Spontaneität gilt es trotzdem weiter zu verteidigen und sichtbar zu machen. In einer Zeit, in der Gesinnungspolizisten wieder säubernd und kritikunterdrückend politisch korrekte und umweltneutrale Kunst einfordern, gilt es genauso gegenzuhalten, wie gegenüber einer Qualitätsverwässerung, demnächst noch durch angebliche KI-Kunst, die nicht neu ist, sondern kalt berechnete Durchschnittsware und Empfindungsattrappe. \
30.8.-4.10.
„Carte Blanche“
Forum für Kunst und Kultur, Herzogenrath
Carte Blanche
Carte Blanche heißt, eingeladene KünstlerInnen können Kollegen/Innen frei wählen. Eingeladen sind: aus Hamburg Ulea Wesemeyer (Stahl); aus Aachen?Gerd Beisbarth (Malerei), Claudia Breuer (Fotografie), Ralf Wierzbowski (Malerei); aus Köln?Daniel Kiss (Rauminstallation); aus Köln und Paris Yves B. Sachot (Malerei); aus Berlin Walpurga Pauels/La Wal (Zeichnung) und aus Berlin und Rom Susanne Kessler (Rauminstallation). Das Gesamtverfahren leitet Achim Franz Willems, der deren Werke auswählt und hängeerfahren präsentiert. Seit Jahren ist er ein Garant für Gruppenausstellungstüftelei.? \
Website "Forum für Kunst und Kultur"
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