Es war ganz anders geplant, aber wie so vieles in diesem Jahr ist auch das Ausstellungsprogramm der Aachener Museen zum Dürer-Jubiläumsjahr innerhalb kürzester Zeit umdisponiert worden. Statt einer großen Dürer-Ausstellung gibt es ein wahres Dürer-Festival, dessen Anfang nun die Ausstellung „Karl V. – Der gekaufte Kaiser“ im Centre Charlemagne macht.
Das Ausstellungsdesign sorgt mit einem stimmigen Farbkonzept in Schwarz, Weiß und Lila inklusive silberner und goldener Akzente für den passenden Rahmen einer spröden und zugleich hochinteressanten Historienausstellung rund um den Besuch zweier bedeutender Persönlichkeiten – Karl V. und Albrecht Dürer – in Aachen: Während Karl V. am 23. Oktober 1520 im Dom zu Aachen durch den Kölner Erzbischof Hermann V. von Wied zum „erwählten“ Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt wird, hofft Dürer auf die Erneuerung der Privilegien, die er mit dem Tod von Kaiser Maximilian I. eingebüßt hatte und hinterlässt der Welt unter anderem einige Silberstiftzeichnungen zu Dom und Rathaus, Tisch und Krug sowie einem liegenden Hund. Dem Ausstellungsteam um Kuratorin Dilara Uygun und dem Leiter der Route Charlemagne Frank Pohle obliegt die schwierige Aufgabe das Leben Karls V. in einer sehr kompakten Inszenierung in die Ära des Umbruchs von der Gotik in die Renaissance einzuordnen.
An insgesamt 18 Stationen wird der Weg Karls V. zum mächtigsten Herrscher der Welt illustriert, der als Enkel und Nachfolger Maximilians I. seine Position inmitten einer sich wandelnden Welt zu behaupten versucht. Während der nach mittelalterlichen Paradigmen erzogene Habsburger in Ritterrüstung beim höfischen Turnier glänzt, zerbricht die alte Weltordnung unter den rasanten Ereignissen rund um die Entdeckung neuer Kontinente, die Erkenntnisse neuer Wissenschaften, die Durchschlagskraft der neuen Religionsbewegungen und die Einführung neuer Medien und Feuerwaffen.
Ächzt die Welt heute unter den Folgen der Globalisierung, lässt sich mit Blick auf Karl V. und seine Zeit eine frappierende Parallelität feststellen: Katholizismus, Korruption, Kapitalismus und Kolonialismus – was 1520 die Welt prägte ist 500 Jahre später immer noch erschreckend brisant. Ein Schelm, wer Böses denkt und das Gerangel um die Königswahl gar mit den Wahlen und das politische Geplänkel der Parteien und Kandidaten unserer Zeit vergleichen mag … Tatsächlich konnte Karl V. sich nur durch eine beispiellose Bestechungskampagne die Krone sichern, was sich nicht nur im Ausstellungstitel niederschlägt: Der von den Fugger, den Welsern und italienischen Bankiers finanzierte Wahlkampf soll 850.000 Gulden gekostet haben, immerhin 2,2 Tonnen Gold. Dem „gekauften Kaiser“ gelingt es jedoch zeitlebens nicht, sein globales Imperium, das auch als Reich, „in dem die Sonne nie untergeht“, bezeichnet wird, souverän zu regieren. Überall brodelt und kriselt es: Neben den innenpolitischen Rangeleien der Kurfürsten und dem gestörten Verhältnis zu Papst Clemens VII. hielten ihn drei weitere permanente Gegner in Atem – Frankreichs König Franz I. (sein Rivale im Kampf um die Krone), die gen Europa expandierenden Osmanen und der Reformator Martin Luther.
Die Ausstellung weiß diese ereignisreiche Zeit mit unterschiedlichen Exponaten (der Katalog verzeichnet 287 Objekte!) aus der eigenen Sammlung sowie zahlreichen Leihgaben darzustellen – darunter die Cappa Leonis, der Krönungsmantel, der zu den wertvollsten Textilien im Aachener Domschatz gehört, ein prachtvoller Umhang, dessen Borte mit Perlen und Edelsteinen reich verziert sind. Oder die Kopie des berühmten Tizianbildes des sitzenden Herrschers, jenes Porträt, auf dem das berühmte „Habsburger Kinn“ zum Markenzeichen Karls V. stilisiert wurde.
Insgesamt 600 Quadratmeter Ausstellungsfläche werden auf zwei Ebenen im Centre Charlemagne bespielt, um eine geballte Ladung historischen Wissens zu vermitteln – von Karl dem Großen/Carolus Magnus (der in Aachen nie fehlen darf) bis zu Karl V./Carolus Maximus, dem scheiternden Kaiser am Übergang vom Mittelalter in die Frühe Neuzeit oder um es in die heutige Zeit zu adaptieren: die ständige (Über-)Forderung der Menschen Schritt zu halten mit Veränderung und Fortschritt! \ Belinda Petri
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