Von Dirk Tölke
Kompakter kann man Informationen und Gefühle nicht weltweit verständlich ausdrücken, als in kleinen 12x12 Pixel-Bildern, die mehr sagen als 140 Zeichen oder 1000 Worte. Seit Harvey Balls Smiley (1963), getippten Emoticons (ab 1982) und Piktogrammen, gibt es mehr als 3000 standardisierte Emojis (ab 1997). Sie erweitern und/oder verkürzen die Kommunikation. Die präsentierte Entwicklungsgeschichte sollte Alltagswissen werden. Da hilft bald der Katalog.
Dass Bildsymbole mehr sind, als Zeichen für Eingeweihte und Partikularkulturen, wurde durch Otto Neurath (1882-1945) und Gerd Arntz (1900-1988) in die Welt gesetzt, die angesichts von Bildungsmangel und Analphabetismus nach Vereinfachung und Orientierung suchten. In deren Bildstatistik steckte nicht nur der bildhaft einfache Verständnisgedanke, sondern auch das soziale Anliegen, durch nachvollziehbare Fakten, Kenntnisse zu vermitteln und Verhaltensänderungen herbeizuführen. Daneben zeitigten die Olympiaden die wachsende Problematik mehrsprachiger Erklärungen.
Neurath gründete 1920 den Österreichischen Verband für Siedlungs- und Kleingartenwesen, aus dem 1925 das Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum Wien erwuchs. Zum Team, das standardisierte Vermittlungszeichen entwickelte und zu Tafeln kombinierte, stieß 1929 bis 1932 der Grafiker Gerd Arntz. Die hier entwickelte Wiener Methode der Bildstatistik fand internationale Verbreitung auch durch Exil ab 1934, als Institut und Personen nach ungeklärtem Brand und nach dem Dollfuß-Sieg über das austromarxistische Wien, zunächst in Den Haag, wo sie die Arbeit als ISOTYPE weiterführten (International System Of Typographic Picture Education), ab 1941 in Oxford, weitermachten.
Der Fabrikantensohn Gerd Arntz nahm als Kind die Situation des Proletariats wahr, engagierte sich nach Weltkriegserfahrungen als Grafiker zeitlebens gesellschaftskritisch, war Mitglied der Kölner Progressiven, arbeitete mit russischen Konstruktivisten in Moskau, leitete die niederländische Stiftung für Statistik 1940 bis 1946 und arbeitete 1951 bis 1961 als Bildstatistiker für die Unesco. Wissenschaftliche Analyse und freie Kunst kommen bei ihm zusammen. Daher ist sein figurativer Konstruktivismus auch gesellschaftskritisch gegen Krieg und Kapitalismus gerichtet und seine Lehrbilder zeigen Nationalsozialismus, Klassenunterschiede und Fabrikbesetzungen in verständlichen Grafiken.
In dieser Bildentwicklung liegt auch die Gefahr der Stereotype. Bildpädagogik, Bildpropaganda oder neutrale Zeichenwelt? Das befragt die Ausstellung. Die Ampel“männchen“ etwa sind weltweit ähnlich, aber auch nicht einheitlich. Nüchterner und in Rasterung, Winkeln und Maßen vereinheitlichender ging Otl Aicher bei der Entwicklung der Piktogramme für die Olympiade 1972 vor, die nicht nur Sportarten, sondern auch Toiletten etc. in Quadraten bildhaft unterschieden. Auch hier war Verständnis, Toleranz und Humanismus treibende Kraft. Warja Lavater, Pati Hill und Wolfgang Schmidt reagierten darauf mit sehr viel spielerischen und intimeren Gegenentwürfen.
Seit 1991 hat die Internetkommunikation neue Dimensionen angenommen, die schnell, verknappt und doch nicht gefühlskalt Informationen tauscht. Seit ihrer plattformübergreifenden Standardisierung 2009 sind mehr als 3000 Emojis zum wichtigsten, täglich milliardenfach geteilten Bildvokabular geworden. Zugewinn oder Verarmung? Wie bringt man die Erfahrungen auf einen Nenner, gar einen globalen. Erwächst aus kultureller Differenz in den Blickwinkeln ein genaueres Bild der Welt oder aus der Vereinheitlichung der Bildbegriffe ein höherfrequenter, aber magerer Austausch? Das ist gesellschaftsrelevant und nicht nur Grafik.
Yukio Ota (grünes Fluchtweg-Schild) und Timothée Ingen-Housz belassen es nicht bei Piktogrammsystemen, sondern konstruieren Bildsprachen mit eigenen Grammatiken und erweiterbaren Zeichensätzen für den globalen Austausch. Mehrdeutigkeiten, kombinatorische Spielfreiheit und Unicode-Konsortium sind der umkämpfte Boden dieser Entwicklung. Die WegbereiterInnen sind wenig bekannt, wie Programmierende. In der datendichten Ausstellung lernt man sie kennen und ihr Vokabular der Zukunft. \
LICHTRAUM
Der Zero-Künstler Otto Piene (1928-2014) wollte die Elemente, vor allem Luft, nicht den Technikern überlassen Aund auch mit Umwelt-Kunst füllen und hat dies am MIT mit seinem „Center for Advanced Visual Studies“ in der Lehre und Öffentlichkeit nicht nur in Amerika bewirken können. Sein poetischer Lichtmodulationsraum im Dürener Leopold-Hoesch-Museum ist jedes Mal für Minuten eine feine Erhebung, wie technisch-geometrische Formwelt zu spielerisch kosmische Assoziationen weckender, aber freier ästhetischer Erfahrung werden kann. Dies nüchterne Träumen hat Aufenthaltsqualität. \
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