Mit Szenekultur kennt sich der in Stolberg geborene Wahlaachener Manfred Sukrow aus. In den Siebzigern machte er mit Peter Sonntag Musik, zuletzt in der Gruppe Mirage, dann agierte er hinter Tresen im Roxie, Ritz oder UKW, organisierte kippenbergerisch-allroundend Modenschauen (Aix-citing) samt Bühnenbild in der leeren Schirmfabrik und gründete 1984 den mit vielen Milieus angefüllten Club Voltaire, danach P5, die er führte, bis er sich mit seinem Studium bei Ernst Wille an der FH-Design in Aachen (1976-82) für ein Künstlerleben entschied.
Er stellt nicht oft aus und gehört auch keiner Gruppierung an. Seit den 80er Jahren geht der Bauzeichner, Designer und multimediale Künstler seinen eigenen Weg als und mit „German Soul“ und spürt dabei offensiv einem positiven Lebensgefühl im urbanen Raum mit allen verlebten Seiten städtischer Kultur nach. Er arbeitet am Puls der Zeit. Der hat Systole und Diastole, wie einatmen und ausatmen, Aktivität und Pause, beziehungsweise heute binär Strom und Nichtstrom, 0 und 1 ein Basisantrieb, der vom Wechsel lebt. Manfred Sukrow übersetzt das in Leiste und Leerraum, sowie präzise Linie und informelle Fläche. Mit Fug und Recht bleibt Manfred Sukrow bei seinen Leisten, denn sie boten ihm seit den 90er Jahren, als er sich von Leinwand und Tafelbild verabschiedete, eine Fülle von raumschaffenden Bildwelten. Er arbeitet additiv und gattungsübergreifend. Zeichnung, Malerei, Plastik und Rauminstallation werden von ihm an einem Objektträger zusammengeführt, der aus Konstruktionsleisten besteht. Lamellenartig hängt Manfred Sukrow seitdem die drei- bis vierseitig bearbeiteten Leisten mit rhythmisch variablem Abstand vor die Wand, in den Raum oder um Säulen, oder stellt sie als Trommeln in den Raum, lässt sie Wellen machen oder als Vexierbild in zwei Einzelbilder beim Vorbeigehen zergliedern. Zusammengeschoben bilden Leisten einen Skizzengrund. Dann sägt er die Linien ein und führt sie um die Kanten. Oft hebt Farbe die Rillen erst hell hervor, wie Landebahnen für das Licht, dann folgt freie Bemalung. Früher dienten die mit Kerbschnitt und Sägerille tiefschraffierten und mit Beitel bearbeiteten Leistenstelen auch als Druckstock. Jedesmal aber sind die Einzelleisten nicht allein Bildgrund für eine zerlegte Fläche sondern demokratisiert, für sich energetisch aufgeladen und seitlich frei weiterbearbeitet. Das Bildthema erfasst man nur durch ständiges Blickspringen, durch Vervollständigung im Geiste in langer Betrachtungszeit. Die Details und Farbverläufe bekommen eine höhere Aufmerksamkeit und ein Eigenleben.
Bildbauer
Dieses über Collage hinausgehende Bildbauprinzip hat er früher mit quadratisch mosaikhaften Konglomeratbildern erzielt. Insofern ist Manfred Sukrow ein Bildverweigerer, der sich nicht mit Effekten und Erzählerischem begnügt, sondern einen eigenen Bildkosmos entwickelt hat, der die Gegensätze zerlegt und verbindet, Detail und Komposition, freies Farbgefühl als Maler und verstandesklare Linie als Zeichner in der Waage hält, so wie im Bereich der Bildthemen Privates und Öffentliches, Archaisches und Stadtplanerisches, Morbides und Schönes. Ob in Holzleisten gesägt oder in Beton gegossen, mit pixelaffinen Lochbohrungen versehen oder aus Edelholz, farbbestimmt oder unbehandelt, Manfred Sukrow holt aus seinem Bildkonzept eine Fülle von Darstellungsmöglichkeiten heraus, die immer um ein Lebensgefühl kreisen, um architekturaffine städtische Raumatmosphären (Stadtfluchten) und Sphären, die Optionen bieten. Im Zerteilungsraster fügt er dem Gesamtzusammenhang Freiheit, Zufallsspontanität von Farbinseln oder mit Chemikalien und Bunsenbrennern ruppig nachbearbeiteten Partien ein, in der Planungsskizze, die er mit der Säge zeichnend den Latten einfügt, fluchtet es, wird es zeichenhaft und lichterfüllt. Zusammen entstehen in den geteilten Bildern Energiefelder für große Gefühle und bisweilen schelmische Kommentare zu medialen Hypes und zeittypische Gegebenheiten. Malerei ist für ihn ein Empfindungen einbeziehender Denkprozess beim Machen. Der Geist von wilder Malerei und Aufbruch bleibt. Stadträume werden bei ihm Lebensräume, sein Blick bleibt von subversivem Geist, veränderungswilliger Aufgeschlossenheit und unangepasst im Fluss, wie seine nicht abschließbare Bildkunst, die Empfindungsreiz und Bildthematik bietet und gleichwertig macht. Dazu kommt noch die Verschränkung des Bildraumes mit dem Realraum und den Farbwerten des Hintergrundes, der mittendrin bleibt und kein Fenster in eine andere Welt wird.
Das alles summiert der Ausstellungstitel „In between“. Manfred Sukrow nimmt das Tempo aus der Reizüberflutung, aber er lässt die Vielfalt spürbar bleiben. Er überdenkt, er strukturiert, er rhythmisiert und plant. Seine Erfahrung mit der Welt fügt er zu Bildern der Erfahrung. Er erzwingt die Bewegung vor seinen Werken, aber belohnt die Arbeit an der Betrachtung mit bleibend belebender Lebendigkeit. \ dito
bis 31.12.
Manfred Sukrow – „In between – der Teil und das Ganze“
Galerie gundolf b.
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