Von Dirk Tölke
In ähnlicher Weise, wie man ein vages Bild von Autobahn an sich hat, durch eine Kombinatorik typischer Elemente, hat man bei Viorel Chireas Bildern ebenfalls eine eigenständige Komposition aus Versatzstücken, die Autobahnatmosphäre verströmen. Dabei arbeitet der Künstler mit Überarbeitungen, mit Hinzufügungen und mit Löschungen durch Verunklärung, die beispielsweise durch eine Lasurtechnik erwirkt werden, bei der durch Farben oder Wachs etwas überschichtet, vernebelt, verändert oder durch Feuchtigkeitsspuren und Schimmel zu einem Eigenleben aktiviert wird. Spurensuche, Arte Povera und Informel sind als Einfluss spürbar. Es geht nie um die genaue Wiedergabe einer Situation. Es sind oft erdige, schmutzige Töne, genauso wie die Atmosphäre auf der Autobahn ja auch ist - ein unbeliebter, mäßig gepflegter Landschaftsraum, der nicht viel Hübsches hat, aber gelegentlich Eindrucksvolles und Dramatisches bietet. Ein Erfahrungsraum, in dem man sich, so Stau will, ständig bewegt und Gedanken nachhängt.
Viorel Chireas neue Bilder sind im Gegensatz zu seinen früheren, der A-utopie verpflichteten Serien, insofern dystopisch angelegt, als ihnen die Aussicht auf eine kommende Ferne fehlt. Die Horizonte dieser mit Industrie- und Infrastrukturformwelten bestückten Landschaften, in denen die Natur an den Rand gedrängt ist, sind unscharf oder verstellt. Als leicht barockes Himmelsspektakel übernimmt die Natur allerdings darüber bedrohlich und eigenständig die Bildregie. Ihre wallende Dynamik und die dezent irreal durchlichtete Farbwelt schafft Tatortdramatik und korrespondiert mit den ständige Geschwindigkeit einfordernden Autobahnen. Ironisch gebrochen erscheint dieser Zweck allerdings durch die Baustellen und Staus oder durch Stilllegung monumentaler Industriedenkmale.
In einem düster glimmenden und als phantastische Kulisse wirkendem Tiefenraum verschwimmt die Realität mit Bilderfahrungen aus Filmästhetik und Landschaftshintergründen digitaler Spielwelten. Dazu trägt das Panoramaformat der Bilder bei. Das mag an eine verschmutzte Windschutzscheibe und damit das Betrachten selbst erinnern, entwertet den Zauber der menschlichen Ingenieurleistungen aber als verkommene Gegenwart. Die Alltagswelt wird von Viorel Chirea als defragmentiert und verschlissen wiedergegeben, von Farbverläufen malerisch verunklärt, akzentuiert, nachjustiert, kommentiert und rhythmisiert. Malerisch folgt er einem kombinatorischen abstrahierend informellen Prinzip der Wirklichkeitsüberarbeitung als Spiel von Licht, Farbe und Form. Magische Momente bilden eine eigene Diffusionszone im teilweise verdrillten Bildraum. Flächen, Linien und Achsen sind gezielt gesetzt und wirken wie geheimnisvolle Bildfragmente eines fremden Planeten oder doch unseres eigenen, in dem die Natur im romantischen Schlummer erstarrt auf ihre Zeit nach dem Menschen wartet. Als malerische Erzählung lösen sie suggestive Denkbilder beim Betrachter aus. Ein hastiger Traum von Vergänglichkeit im entgrenzten, umnachteten Schichtenraum. Spannend inszenierte innere Bilder liefern desillusionierte, postfuturistische Szenarien, aber ästhetisches Futter für die Wirklichkeitswahrnehmung. Sie sind Mehrwert als vernetzte Summe ständiger Einzelbetrachtungen im Bildraum. Die Unrast ist noch spürbar, die da entschleunigt wird. Es sind Bilder gegen den schnellen Konsum. \
Freitag 18.30
Freitag 18.30 wurde 2004 als Produzentengalerie in den Räumen der Werkstätten der Familie Ludwig Mies van der Rohes in Aachen gegründet und 2008 von Robert Mertens, der 1999 während seines Jurastudiums die erste Online-Kunstgalerie Deutschlands betrieb, allein weitergeführt. Bis 2011 von 70 auf 250 Quadratmeter erweitert, wurde daraus ein Treffpunkt von KünsterInnen und SammlerInnen. Hinzu kamen Events, Messen und Auslandsausstellungen. Im Monatstakt und mit steten Überraschungen bleibt die gastfreundliche Galerie in solider Weiterentwicklung aktiv, heute in Partnerschaft mit dem nebenan liegenden Atelier von Sascha Berretz. \
5.-26.2.
Viorel Chirea
5.3.-22.5.
„NOW – Künstler*innen der Galerie“
Galerie Freitag 18.30
Galeriestunden + Atelierbesuche buchbar
Website Galerie 18.30
Website Viorel Chirea
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