Im Ludwig Forum werden dem geneigten Kunstpublikum derzeit gleich zwei besondere Schmankerl geboten. Neben der Großschau „Bon Voyage!“ widmet sich der Kulturtempel an der Jülicher Straße seit kurzem dem Oeuvre eines hierorts guten Bekannten: Die Ausstellung „Drawing The World“ beinhaltet eine veritable Retrospektive zur Arbeit des Rumänen Dan Perjovschi.
„Drawing The World“ ist ein spannender Ritt durch 35 Schaffensjahre eines Mannes, der sich selbst gern außerhalb des Kunstbetriebs sieht. „Dazu trägt sicher seine frühe Aufnahme in das staatliche Kunstfördersystem Rumaniens bei“, erläutert Annette Lagler, die als Kuratorin für die Schau verantwortlich ist. Schon als Kind sei Perjovschi, 1961 geboren in Sibiu, systembedingt so das Leben als Künstler ein gutes Stück weit vorbestimmt worden.
Aus der zweiten Halfte der 1980er Jahre stammen auch die im Ludwig Forum gezeigten Frühwerke - der rasterartige Zeichenbogen „Urzeala etwa oder die durch Fotosequenzen dokumentierten Performance-Aktionen jener Jahre im ländlichen Raum rund um die Großstadt Uradea. Material, das keiner staatlichen Kontrolle jener Zeit standgehalten hatte, sagt die Kuratorin.
Schwarze Filzmarker und der kritisch-ironische Blick auf politische und gesellschaftliche Entwicklungen — das sind seit den 1990er Jahren die Standardutensilien im Gepäck Perjovschis. Die Aachener Werkschau zeichnet das Werden des heutigen „Journalistischen Kommentators“ (Perjovschi über Perjovschi) nach, dessen einfache, oft sozialkritische, bisweilen radikale und nicht zuletzt global verständliche Bildsprache sich auch aus dem Wunsch nach Emanzipation vom Realismus der einstigen künstlerischen Obrigkeitsschule Rumäniens entwickelte.
„Perjovschi hat sich früh dem staatlichen Kontrollblick entziehen wollen“, sagt Lagler. „Dazu gehörte auch die Abkehr von aufwendiger Malerei und Farbigkeit hin zu einer reduzierten künstlerischen Bildsprache, einer regelrechten Kommunikationsstrategie.“ Und die kommt selten ohne explizite Botschaft aus — bis heute, wie die aktuelle Arbeit Perjovschis belegt: Sein „Virus Diary“ wird in Aachen laufend ergänzt und belegt anschaulich den unbedingten Bezugswillen zu aktuellen Entwicklungen, in diesem Fall zur Corona-Situation.
5000 geschichtete Notizzettel
Ein weiteres Schlüsselwerk hat derweil die kürzeste Reise hinter sich: „Anthropotek“, eine im Jahr 1992 entstandene künstlerische Selbstbefragung auf 5000 geschichteten Notizzetteln, gehört seit 1996 zum hauseigenen Bestand. Außerdem ist ein Live-Auftritt angedacht: „Der Plan ist, dass er noch im März zu uns kommt und eine große Wandarbeit gestaltet“, sagt Annette Lagler. Bei seiner Rückkehr wird der 59-Jährige mit einem Zeugnis des eigenen Schaffens konfrontiert. Perjovschis knapp 300 Quadratmeter große Kreide-Wandarbeit „Recession“ ziert seit 2008 Wände im Ludwig Forum. Der Bestand ist vertraglich gesichert, „er könnte jetzt nicht einfach alles wegwischen“, sagt Kuratorin Annette Lagler mit eher gespieltem Ernst. Wichtig sei, dass er überhaupt kommen könne. \ alba
bis 6.6.: „Dan Perjovschi - Drawing The World“
Ludwig Forum für Internationale Kunst
Pro Zeitfenster von zwei Stunden sind 25 Besucher zugelassen.
Tickets: 0241/1807104
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