Von Dirk Tölke
In deutsch-belgischer Zusammenarbeit haben die beiden Vereine des KuKuK an der Grenze mit 90 Prozent Fördermitteln des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung und 10 Prozent Eigenanteil sowohl bauliche Voraussetzungen geschaffen als auch eine Freilichtausstellung mit umfangreichem Rahmenprogramm gestemmt, die die Kultur auch in Corona-Zeiten wieder sichtbar macht. Vom 6. Juni bis zum 31. Oktober bietet ein Rundgang von drei Kilometer Länge den Kern für 66 geplante kulturelle und pädagogische Aktivitäten. Zuletzt war 2011 zeitgenössische internationale Kunst in der dortigen Grenz-Landschaft gezeigt worden. Nun ist der nördliche Waldabschnitt dran.
Zunächst einmal wurde die Terrasse hinter dem KuKuK runderneuert und gesichert und widersteht schon den Coffee-to-go-Anstürmen. Knapp dahinter ist mit viel Eigenarbeit eine saisonal nutzbare Waldbühne überkuppelt worden, in der Open-Air-Konzerte, Theater und Tanz stattfinden können. Kindern und Erwachsenen werden Führungen und thematische Spaziergänge geboten zu Kunst, Philosophie, Musik, Literatur, Geschichte und Natur. Dazu kommen drei Fotoausstellungen von Michael Dohle (ab 6.6. 12 Uhr), Günther Rangeard und Bernd Radtke, sowie Filme und Workshops. Die Kunst-, Wald- und Theaterpädagogik mit Wald-Theater-Wochen kulminiert in einem Waldrundgang mit 19 internationalen Künstler:innen, die mit Landesbetrieb Wald und Holz NRW, Gemeindeforstamt Aachen, Forstamt Eupen, den Gemeinden Raeren und den Stadtbetrieben Aachen in grenzüberschreitender Zusammenarbeit coronafähig und massentauglich gemacht wurden. So entstand ein drei Kilometer langer Parcours durch schöne und sturmangegriffene Landschaften am Flög, am Landgraben und durch den Rotsiefweg, auf denen sogar Rollstuhlfahrer:innen 12 von 16 Kunststationen betrachten können. Start- und Endpunkt ist eine Foto-Ausstellung von Willi Filz am Grenzpunkt Null, die erstmals die Möglichkeit nutzt, die dafür vorgesehenen Bodenarretierungen auf dem roten Fußgängersteg zwischen den ehemaligen Zollhäusern mit Halterungen zu versehen. „Migration-fragil“ gibt auf der Schnittstelle europäischer Wertevorstellungen 15 Geflüchteten und den Betroffenen Bürger:innen und NGOs auf Lesbos ein Gesicht. Moria 2 als Prüfstein von Würde und Pluralismus.
Fragil als Titel spielt bewusst mit der gerade intensiv erlebten Sensibilität und Zerbrechlichkeit, die bezogen auf den Begriff Heimat mit Zugehörigkeit und Erinnerung, Gefährdung, Veränderung und kultureller Bindung einhergeht. Klimawandel, Migration, Globalisierung, Energiewirtschaft und Digitalisierung beeinflussen die Entwicklungen. Heimat, Region und Identität sind da die gern benutzten Vokabeln, die munter definiert werden, wie der Begriff Kunst. Nicht die endgültige Bestimmung, sondern die Debattenkultur ist die lebendige Wirkung dieser komplexen Begriffsfelder. Begegnung ohne Polarisierung und Feindbilder ist der Schlüssel eines Miteinanders, indem die Verschiedenheit als Erweiterung der Welterfahrung und nicht als Ausschlusskriterium und Anlass für die Einigelung angeblich homogener Gruppen gesehen wird. Niemand führt ein einheitliches Dasein in all den Gruppen, an denen man in seinem Leben teilhat. Widersprüchlichkeit gehört zum Lernprozess in einer komplexen Welt, in der Lebensentwürfe aufeinanderprallen.
Heimat als Szenerie gelebter Jahre ist überall. Der Wohnort von Künstler:innen macht nicht ihre Bedeutung aus. Provinzialität als Abschottung findet in Zeiten des Internets nurmehr in den Köpfen statt. Nach hinreichend Einkehrzeit für die Kunstschaffenden geht es mit durchdachten Werken, die dieser Tage im Wald entstehen, wieder los, Gesellschaft und Zukunft zu diskutieren und über Tellerränder hinauszublicken.
Mit dem aktuellen Zweitsemester der Akademie für Handwerksdesign Gut Rosenberg wurde ein Styleguide-Wettbewerb ausgelobt, den Entwürfe von Judith Marek, Lena Reinertz und Laura Altmann gewonnen haben, die das Design der Grenzkunstroute021 bestimmen werden. Zur Midissage am 15. August wird außerdem ein Katalog erscheinen.?\
6.6.-31.10., Eröffnung 6.6., 14 Uhr
Vierte Grenzkunstroute: „Heimat – fragil“
Grenzübergang Köpfchen
Kunstschaffende
Vera & Ana Sous (DE), Thomas Bortfeldt (DE), Mels Dees (NL), Dieter Call (DE), Tanja Mosblech & Romain Van Wissen (BE), Olivier Pé (BE), Matthias Kohn (DE), Sascha Bayer (DE), Garvin Dickhof (DE), Manuel Alves Pereira (BE), Herwig Kemmerich (DE), Chloé Coomans (BE), elparo (F), Andrea Radermacher-Mennicken (BE), Julien Barzin (BE), Peter JM Schneider (NL), Willi Filz (BE).?\
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