Von Dirk Tölke
Ihr Sohn Antony Penrose hat die Fotografien seiner Mutter erst nach ihrem Tod auf dem Dachboden entdeckt und nach und nach als Archiv aufgearbeitet. So blieb erhalten, was sie für ein ungezähmtes Dasein geführt hat, das ein von Depressionen gezeichnetes Ende auf einer Farm in Amerika gefunden hat, wo sie im goldenen Käfig abseits der Gesellschaft, in der sie gelebt hat, dahindämmerte, ohne je die Rollen zu spielen, die Männer dieser Generation ihr zudachten. Ein Film arbeitet ihre Lebensgeschichte auf und die Fotografien lassen ahnen, wie die Erfahrungen und Bilder, die sie gesehen hat, ein übriges getan haben, unverdaut und unbewältigbar aufs Gemüt zu drücken, etwa die Leichenberge in Dachau, die sie als erste nach der Befreiung fotografierte. Krieg wirkt zerstörerisch fort. Lee Millers Vater hat sie als Hobbyfotograf in die Technik eingeführt, aber auch als Aktmodell fotografiert. So mag sie früh ihren Körper in posender Distanz eingesetzt haben. Im Bestreben, der Kleinstadt zu entfliehen, ging sie nach New York und wurde dort durch Zufall Model, weil sie vom Chef der Modezeitschrift Vogue angefahren wurde, der so auf sie aufmerksam wurde. Ihr Ziel, Fotografin zu werden, verfolgte sie weiter und ließ sich von berühmten Fotografen wie Edward Steichen, mit denen sie arbeitete, auf den Amerikaner in Paris Man Ray verweisen, bei dem sie lernen sollte. Sie verstand es, sich dem Individualisten als Assistentin anzudienen und wurde dessen Geliebte. Die Pseudosolarisationen mit denen er unter anderem als surrealistischer Fotograf bekannt wurde, sind wohl ihre Erfindung aus einem Dunkelkammermissgeschick heraus. Den surrealistischen Blick auf die Bizarrerien des Lebens behielt sie auch in ihren Kriegsfotografien bei, die Schilderwälder in Ruinen oder seltsame Gegensatzpaare im Kriegsgeschehen ins Visier nehmen. Als eine von vier Kriegsberichterstatterinnen ließ sie sich 1942-45 anwerben, nachdem sie nach einer mehrjährigen Ehe mit einem Kairoer Geschäftsmann in die Gruppe der Pariser Surrealisten zurückgekehrt war, wo sie ihren späteren Ehemann Roland Penrose kennengelernt hatte. Welche Bilder machen Krieg und seine Gräuel sichtbar? Was erwartet man von Kriegsberichten? Fakten, Aktion, dezente Grausamkeiten, Ruinen, Explosionsqualm, schreiende Menschen, Wunden, Tränen? Präzisionsschläge in grünem Licht wie Videospiele, Luftaufnahmen von Napalmexplosionen, Unicef-Hilfslieferungen? Folterexzesse, Massengräber, fahrbare Krematorien, Feindbildpropaganda, Berichte von hinter der Front? Bilder bestimmen, was Soldaten und Bevölkerung für Kenntnisse vom Kriegsgeschehen bekommen sollen. Die heutigen Medienkriege sind von privaten Handybildern und gezielten Bildkontrollen überformt. Aufstacheln mit Fake und Propaganda, sachliche Darstellung von Völkerrechtsbrüchen für den internationalen Gerichtshof und Überlegungen zur Konsumierbarkeit von Bildern für die Beruhigung der Bevölkerung. Bilder haben es in sich. Ich kenne den Krieg nur aus Filmen, Fotos und Gemälden. Tod und Zerstörung bestimmen dort mehr die Bilder, als Zivilisationsverlust und Langeweile. Heute die Wohnung ausgebombt, morgen die Läden geplündert und übermorgen die Toten im Vorgarten beerdigt. So schnell, wie in Mariupol zuletzt, verschwindet geregeltes Leben. Vieles davon ist Rachefeldzugspropaganda oder heroisches Beschönigen auf der Seite der Täter oder mitleidserregendes Elend und sinnlose Zerstörung. Auch hier neigt die Sensationspresse zu starken Symbolen, wie etwa jetzt wieder zerstörte russische Panzer vor einem Panzerdenkmal des zweiten Weltkrieges oder zerbombte zivile Gebäude oder explodierende Raketen.. Lee Miller war zunächst drei Wochen nach dem D-Day hinter der Front eingesetzt, um aus Lazaretten und Krankenhäusern zu berichten, also von Heldentaten von Frauen, die man für typisch, frauenspezifisch oder weniger grausam hielt, obwohl es auch hier Verletzungen, Operationen und Depressives unschön in sich hatten. Sie hielt mit ihrer Kamera das sich normalisierende Leben hinter der Front fest. Bleichen von Wäsche zwischen Ruinen, dann surreal humoriges und zusehends in Dachau unvorstellbares, was Menschen sich antun und wo Inszenierung und Motivsuche versucht, aber völlig absurd werden. . Kann man Krieg gut darstellen oder Abscheu vor dem Abscheulichen in Bilder fassen? \ bis 22.5. En Route to Cologne – Fotografien von Lee Miller (1942-1945) bis 5.6. Yva. Frieda Riess – Fotografien 1919-1937 Fotografie-Forum der Städteregion Aachen in Monschau kuk-monschau.de
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