Unterstützt wird die Ausstellung der Neuaachenerin von Amnesty International und Save Me Aachen. Als Künstlerin und Autorin erhielt Nathalie Bertrams bereits Auszeichnungen und Förderungen von National Geografic, dem Pulitzer Center for Crisis Reporting und weiteren Institutionen. Die schlichten Wände des Bunkers bieten die richtige Kulisse für die ausdrucksstarken, kontrastreichen Portraits, Stillleben und Familienfotos der Künstlerin. „Common Ground“ zeigt Fotografien und Videos von sechs Forschungsreisen der Künstlerin, in denen sie ökologische und soziale Konflikte in Ost-Europa, dem afrikanischen Kontinent und Asien dokumentiert.Die Protagonist:innen ihrer Werke blicken stolz, grimmig, verschmitzt und verträumt in die Kamera oder an ihr vorbei. Nie sind sie nur die Zeugen der Konflikte, die ihr Leben prägen, immer sind sie eigenwillig, schüchtern oder selbstbewusst, menschlich.
„Während dem Studium habe ich mich viel mit der abstrakten Darstellung von Natur beschäftigt, dann ist mir aber schnell klar geworden, dass meine Arbeiten am stärksten sind, wenn ich Menschen zeige und ihre Geschichten erzähle“, erklärt die Fotografin. Schnell wird klar, wie gern sie von den Menschen erzählt, die auf den Bildern ihrer Ausstellung zu sehen sind. Der gespielt strenge Blick einer jungen Mutter auf ihren Sohn – beide leben als Nachkommen palästinensischer Geflüchteter ohne Staatsangehörigkeit im Libanon. Der selbstvergessene Ausdruck einer Gruppe sehbehinderter Jugendlicher in einer äthiopischen Schule. Große Konflikte – alltägliche Situationen. Nathalie Bertrams Bilder zeigen in erster Linie individuelle Charaktere – erst dahinter kommt der Konflikt, der das Leben dieser Person prägt zum Vorschein. Diesen Ansatz schildert die Fotografin so: „Ich möchte darüber, dass die Menschen Interesse an dem Bild haben, Interesse an der Person wecken und dann auch an größeren Konflikten oder Menschenrechtsverletzungen, die dahinterstehen“.
Oft zeigen ihre Bilder Menschen, die so versteckt oder abseits von großen Städten leben, dass ohne Bertrams kein Bild von Ihnen die Öffentlichkeit erreichen würde. Um Kontakte zu knüpfen, nutzt sie Verbindungen zu Journalist:innen oder Menschenrechtsorganisationen die vor Ort tätig sind. Angekommen, ob in einem kleinen Dorf im Regenwald vom Kongo in dem 2018 die Ebola Pandemie ausbrach oder einer Kohlearbeiterstadt in Südafrika, ist sie immer wieder mit der Aufgabe konfrontiert, Vertrauen aufzubauen und das oft ohne gemeinsame Sprache und geteilte Kultur. Das kostet viel Einfühlungsvermögen und vor allem Zeit. „Gerade die Schüler in Äthiopien waren sehr, sehr schüchtern“, erklärt die Künstlerin. „Es ist da einfach in der Kultur, gerade in der Schule, so, dass man einen extremen Respekt vor Erwachsenen hat. Ich konnte aber die Familien einiger Kinder kennenlernen und habe da sehr viel erfahren.“
Die Art der Darstellung lässt sie teilweise auch von den Personen auf den Bildern mitbestimmen. Über ihre Reise in den Kongo, wo sie eine Familie traf, die den Familienvater durch Ebola verlor, berichtet sie: „Ich habe gesagt ich wolle gerne die ganze Familie aufnehmen. Und die Familie stellte sich vor das Haus um das Grab des Vaters, so dass die ganze Familie auf dem Bild zu sehen ist.“ Wer seine Perspektive erweitern und neue Eindrücke zu geteilter Menschlichkeit gewinnen möchte, kann das machen – auf dem gemeinsamen Bunker-Boden im Aachener Nordviertel. \⇥lk
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