Von Dirk Tölke
Herbert Falken ist Künstler und katholischer Priester. Er sieht sich nicht als christlichen Künstler. Er stellt sich bohrenden Fragen, bis es weh tut und weicht der Konfrontation und dem Ringen ebenso wenig aus, wie der alttestamentarische Jakob, der mit dem Engel kämpfte. Und auch Falken ringt mit Gott, mit dem Glauben, mit Krankheit, Sexualität und Sucht, mit dem Tod, mit dem Christusbild, dass er ganz eigenständig nicht vom Gottesbild her tradiert, sondern vom Menschenbild her neu zu finden sucht. Seine Werke sind singulär und suspekt, erschütternd leidensgeprägt und schürfen in seelsorgerischer Tiefe die existenziellen Nöte bis zum Grund aus. Das ist gut ausgedrückt, aber nicht schön anzusehen, sondern Bilderschütterung und exemplarische Zerreißprobe, die Ausdruck sucht für das Unsagbare und Unsägliche, wie seine als kindlicher Zaungast erlebte und weiterrumorende Unmenschlichkeit eines KZs, sowie die einsamen Kranken und Fixer, denen er früh Seelsorger war. Konservativen Christen und Theologen sind die Arbeiten zu provokant, rütteln an frommbraven Emotionen, eingespielten Bildmustern, legen die dynamische Glaubensfindung und den Zweifel auf dem Lebensweg zu sehr bloß. Avantgardistischen Kunstinteressierten sind seine Themen zu christlich, altbacken und provozieren als Leidensgestus auf eine Weise, die uncool und von Aktualisierung ausgeschlossen scheint. Kunst und Kirche sind von beiden Enden her von deutungshoheitlichen Ausgrenzungen betroffen, die lieber weggucken möchten und gehorsame Lämmertreue oder naiven Kinderglauben beziehungsweise Protestkultur und markenfähige Bildsprache bevorzugen. Tabubrüche innerhalb des Traditionsbildkorpus und die Orientierung am Menschen und Schmerzstillung, Trost und Erlösung sind nichts für solche Weltsichten. Das Bild des Menschen steht in Frage. Abgründig und hinfällig, zu Hingabe und Barbarei fähig, verletzlich, unsicher und Gläubigen erlösungsbedürftig und Gottes Ebenbild zugleich. Ist das noch von Interesse? Einer kapitalistischen Konkurrenzkultur einsamer Konsumenten ist das eher lästig. Einer von Wirtschaftsdenken unterwanderten Kirche wohl auch. Die Wirklichkeit hält die Sorge grundbrisant. Falken bleibt erwartbaren Bildern gegenüber skeptisch. Ihm scheint die Beweglichkeit des Unzulänglichen Aktualität, die umkreisende Annäherung durch vielschichtige Bearbeitung. Fährten statt Endprodukte. Seit 1932 mit Diktatur und Autoritätsgebaren konfrontiert, sucht Falkens künstlerische Begabung Freiräume und konfrontative Herausforderung. Zunächst sind es farbfreudige Örtlichkeiten in Aachen, Paris und Italien. Dort entschließt er sich am Strand nach der zu malerisch monotonen und abgebrochenen Reklamemalerausbildung und einer erzwungenen Kaufmannsgehilfenlehre das Abitur nachzuholen und Theologie und Philosophie zu studieren. 2000 schleuderpreisig verkaufte Bilder finanzieren ihm um 1958 diesen Weg, der von der Aufbruchsstimmung des 2. Vatikanischen Konzils 1962-65 begleitet wird. 1964 wird er Priester und Krankenhaus-Seelsorger. Bis zu seinem fanalen Werk „Scandalum crucis“ 1969 tritt die Kunst in den Hintergrund. 25 Monotypien zur Apokalypse von 1961 bilden darin eine erste Neuorientierung auf christliche Themen. Bis zur Verausgabung ausgelotete Zyklen bleiben für sein Werk ab 1970 bestimmend: Krankenbilder, Röntgenbilder, Studien zum Turiner Grablinnen, Figur und Richter, Studien zum Taufbecken in Assuan, Selbstporträts, Studien zum Grabmal von Roermond, Mumienzeichnungen, Mein Gehirn ist meine Dornenkrone, Geburtstod, Kreuz und Engel, Schevenhütter Kreuzweg, Studien zur Gerichtsmedizin, Lazarus (Heinrich Bölls Tod), Aktzeichnungen, Frauenlandschaften, Todestod, Skizzen zum Aachener Dom, Gitterköpfe und Studien zu Michelangelo. Mit Francis Bacon, Antonio Tàpies, Alberto Giacometti, Joseph Beuys und mit der Materialität von Malmitteln hat er ebenso gerungen. Vom befremdlichen Lachen des Gekreuzigten 1969 an „stellte er die Toleranz und das Kunstverständnis des an milde Madonnen- und sanftmütige Christusdarstellungen gewöhnten Publikums hart auf die Probe.“ (Kunstpreis Düren 2007). Falken-Wege Die Gesellschaft für den Dialog von Kunst und Kirche e.V. hat in zehn Städten Ausstellungen zum Werk von Herbert Falken angeregt und koordiniert. In Aachen, Bonn, Düren, Erlangen, Eupen, Köln, Mönchengladbach, Münster, Schevenhütte und Würzburg wird laut einem gemeinsamen Flyer präsentiert. In Aachen macht das Suermondt-Ludwig-Museum bis zum 4.12. mit dem Zyklus „Kampf mit dem Engel“ bekannt. Der Kunstladen des Kulturwerks zeigt in der Adalbertstraße 12 vom 8. Bis 29.10. Werke aus Privatbesitz, Eröffnung ist dort am 8.10., 15 Uhr. Weitere Werke sind in der ständigen Ausstellung der Bischöflichen Akademie des Bistums Aachen zu sehen.
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