Was kann man den Patriarchen, Diktatoren, Freiheitsentziehern und Gottesstellvertretern dieser Welt künstlerisch entgegenhalten? Dass man auf der Leinwand auch Allesbestimmer ist, der die Farbe versklavt und dienstbar macht. Und das entspricht dann nicht den Starallüren und Gemochtwerden-Propagandismen solcher heldischer Ikonen-Überväter, sondern wischt die Werbe-Tünche ab und tendiert zur Fratze. Das ärmliche Bild verkommener Subjekte und Menschenfeind*innen wird offenbar. Herrschaftsdenken und Gegnerbeseitigung ist nur überwiegend eine männliche Domäne.
Aber den selbsternannten Herren der Schöpfung geht es auch weiterhin um das Bestimmungsrecht über Frauen und ihre Körper.
Ein Gespräch führen und keinen Monolog, heißt davon ausgehen, dass Argumente und Kenntnisse des Anderen besser sein könnten, als die eigenen. So kommt die Menschheit im Austausch weiter, ohne sich in Feindschaften zu verausgaben. Diskussion statt Diss-Union. Um Argumente geht es auch im Logoi, in der Philosophie und der Aufklärung, die mit Kant gesprochen „den Ausgang des Menschen aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit“ möglich machen will, statt angstvollen Gehorsam gegenüber der Tradition, Gewohnheitsrecht und Autoritäten zu unterstützen (weibliche und männliche Auguren, Gurus, Titelträger, Amtsträger, Waffengewalteinschüchterer, Gotteswilleninterpreten, Socialmediainfluencer, Internetquellen und demnächst die KI-Erschließungen). Unüberprüftes und Fake News verwässern neben klassischer Geheimdienst-Desinformation heutzutage antiaufklärerisch die Faktenlage ins Mainstreaming. Höchste Repräsentanten lügen hemmungslos und durchschaubar, die Denkfaulen halten sich nicht mehr mit Kommentaren zurück.
Die Gegenaufklärung raunt postmodern vom Scheitern und unter aller medialen Augen machen die Unbarmherzigen weiter gewissenlos ihr Ding.
Da widerspricht Roland Mertens und zeigt die von Waffen und Sicherheitsapparaten geschützten Egomanen und Edeltheologen als einsame Idioten, als Auchnurmenschen, als outfitgetarnte Unmenschen, die äußerlich nicht als solche erkennbar oder von Menschenfreunden unterscheidbar sind, aber an ihren Taten. (Serie: About the difficulty of evaluating a face) Da ist die Bild-Manege frei für Kardinal Woelki und selbstgewisse Mullahs. Soll man mit Schurken wie Putin und Lukaschenko Mitgefühl haben? Kann es überhaupt Bewunderung geben für die Durchsetzungsstärke von Leuten, die Mordbefehle geben mit dem Gegenaufklärerargument, starke Ordnung verhindere, dass sich alle gegenseitig an die Gurgel gehen. Immer geht es um Einflussnahme und Kritikbeseitigung unter dem Deckmantel der Wohlanständigkeit, Glaubwürdigkeit oder Authentizität zugunsten von Macht politischer, wirtschaftlicher oder religiöser Couleur. Die Taschenspielertricks sind dieselben seit dem Mittelalter (Wirecard, Cum-Ex), Raubrittertum (heute Landraub) und plumpe Annexion (Eisfreihafen-Krim und bodenschätzehaltige Ostukraine) werden dann mit absurden Theorien verbrämt und können mit einer dankbar vergesslichen und nachprüfungsunwilligen Bevölkerung rechnen. In der Ukraine geht es gegen Zivilbevölkerung und Kultur, von der Front erfährt man embedded wenig.
Archive, Bibliotheken, Kirchen und Theater (viele Kulturstätten sind zugleich Schutzbunker) trifft es dort nicht unabsichtlich genauso wie Infrastruktur. Das Theater von Mariupol, vor dem für Luftaufklärer in Russisch „Kinder“ stand, erhielt dennoch einen Treffer mit 12 bis 600 Toten. Hinter einer haushohen Umfassungswand wurde es inzwischen russischerseits abgerissen. Das thematisiert ein Modell, das Mertens als Statement gebaut hat. Viel Trauriges seit eh und je, durchgehend begleiten Kriege irgendwo auf der Welt die Existenz, aber nicht überall und in den Oasen der Freiheit kann sich etwas entfalten, können Gegenbilder entstehen, kann in Zweifel gezogen werden und der humorlose Popanz lächerlich erscheinen (das ertragen Gewaltherrscher am wenigsten). Roland Mertens hochgradig versierte Malerei greift alte Stilmittel auf und münzt sie in spielerischer Anverwandlung ironisch und kritisch um.
Schön gefärbt, nicht schöngefärbt. Seine bezaubernde Könnerschaft entzaubert zugleich Virtuosität und die übertriebene Hochachtung vor Klassikern und vor den smarten und würdeheischenden Despoten von nebenan. \ Von Dirk Tölke
bis 5.3
Marco Gerke – „MoMA für Arme“
Kunstparaphrasen
12.3.-7.5., Eröffnung 12.3., 12 Uhr
Roland Mertens – „Den Anstiftern
zu stetigem Wohlstand“
LOGOI – Institut für Philosophie und Diskurs
www.logoi.de
Zur Person
Geboren 1952 in Mausbach, studierte Roland Mertens unter anderem bei Joseph Beuys in Düsseldorf, damals schon mehr an barocker Kunst interessiert, die er congenial nachzeichnete. Weitergebildet von einem Innsbrucker Restaurator illustrierte er Schelmenromane des 17. Jahrhunderts, blieb dieser Bezugsepoche treu und machte sie zeitgenössisch durch schelmische politische aktuelle Anspielungen. Er ist zudem Musiker, Schauspieler, Aktionskünstler und Geschichtenerzähler.
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