Kunstfieber im auskühlenden ((?)) Terrain. Das hat die Atmosphäre in der Halle 1 über 20 Jahre mit allen Wechseln von Künstlerinnen und Künstlern, Leitern, Raumausbesserungen und Ausstellungen geprägt. Hier ist eine Arbeitsatmosphäre entstanden, die Raum für Atelierruhe und für Kurse lässt, die mit Aktzeichnen und Drucktechniken durchaus handwerklich akademisch der Weiterbildung dienten und dienen. Ein Zwischending zwischen Produzentengalerie und Bleiberger Fabrik, Ateliergemeinschaft und Öffentlichkeitsarbeit, ein Lebens-Raum, der nach dem Umbau 2016-18 durchlichteter, teeküchiger und dachdichter, aber wiedererkennbar geblieben ist.
Wie ein Aquarium mit Einblick in einen Künstlerzoo könnte einem der seinen provisorischen Charakter bewahrende und damit herausfordernde Innenraum erscheinen, das lichtspendende „Atrium“, in dem Performance, Musik, Beköstigung und Ausstellungen stattfinden. Hier gibt es in der schwierigen Raumaufteilung der ehemaligen Werkhalle einer Gießerei im Hinterhof der Bachstraße 62-64 einen zentralen Raum, von dem einzelne Ateliers abgehen und das auch noch in hintereinanderliegenden Durchgangskammern. Die mit verglasten Wänden und Vorhängen abgegrenzten acht Kompartimente erhöhen zusätzlich die Kommunikationsdichteenge. Dieser Hauch von Großraumbüro und Werkstatt verlangt beim Arbeiten Konzentration, ist ablenkbar. Hier geht es also um tätige Kunstarbeit und Kommunikation. Wenn es hier mal nicht dreimal im Jahr von Menschen brummt, dann lässt sich ruhiger arbeiten, wenn man sich nicht in Raumwinkel zurückziehen kann. Andererseits kann man sich austauschen und gegenseitig voranbringen und anregen, weil hier ein Diskussionsforum ist und keine Klosterzellenkultur oder ein Edelressort. Das senkt den Preis, scheint bestimmte Charaktere zu formen und zur Stabilität der sicher herausfordernden Gemeinschaft beizutragen, die Fluktuation ermöglicht ohne den Gesamtrahmen zu ändern. Manche nutzen auch Flächen zu zweit. Raum und Miteinander formen die Kommunikation. Der Austausch ist fachlich und persönlich gewachsen. Die gelagerte Kunst wächst durch Produktivität auch teils über die gegebenen Flächen und Stapelmöglichkeiten hinaus. Da hilft es, wenn sie hier auch präsentiert und verkauft wird.
Es gab immer auch Austausch nach außen als Konzept, eine Öffnung durch Gastkünstler bei Ausstellungen und zum Publikum bei offenen Ateliers oder dem Tag der Druckkunst. Regelmäßig gibt es fast von Anfang an Beteiligungen an der Aachener Kunstroute, die hier mit Heinrich Hüsch als Leiter den Hauptorganisator in der Gemeinschaft besitzt. Die Örtlichkeit bietet eben die Möglichkeit, Öffentlichkeitsarbeit zu machen, Menschen für Kunst zu interessieren. Hier herrschen statt weißveredeltem Galerieraum provisorische Werkstattatmosphäre und ein unkomplizierter, wenn auch nicht barrierefreier Zugang zu Kunst und Gesprächen darüber. Wie lange und in langen Gesprächen vertieft das Publikum hier verweilte ist ein stets zu beobachtender Mehrwert dieser Offenheit gewesen und ein wichtiger Beitrag, um die mit Herzblut und Individualität betriebene Kunst in Wechselbeziehung mit der Stadtbevölkerung zu bringen als einen bereichernden und sich einmischenden Teil der Kultur. Privates Engagement steckt dahinter. Hier ist kein durchgehender Kunstbetrieb im Handelssinne, sondern in der Auseinandersetzung. Ein wichtiger Baustein, die individuellen Kunstschaffenden zusammen zu bringen und zu stützen. Manche brauchen und ertragen die Ruhe bis Einsamkeit eines stillen Ateliers abseits vom Getriebe, manche brauchen Fläche und Maschinenpark, andere beleben ihre Phantasie im Miteinander, im Teamwork, in einer quasifamiliären Arbeitsumgebung. Es braucht viele und verschiedene Orte der Kunst, die institutionelle, vereinsmäßige oder von Vertrauen gekennzeichnete Stabilität bringen. Museen, Kunstvereine, Galerien, Produzentengalerien, Künstlervertretungen und eben auch Ateliergemeinschaften. Für jede und jeden was dabei zum Stöbern und Entdecken, zu Austausch und Erkenntnisgewinn.
Die Ateliers sind am Jubiläumswochenende 12.-14.5. geöffnet (Sa 12-18, So 14-18 Uhr), die Künstlerinnen und Künstler anwesend und zum Jubiläum gehen 20% von den Verkäufen an -diesem Wochenende an die Aachener Obdach¬losen-Arbeit von „Café Plattform“. Am Freitag um 18 Uhr plaudert nach einer Einführung Anja Goslar aus dem Nähkästchen über 20 Jahre Halle 1. Da schaffen Kunst und Kunstschaffende mit dem Publikum wieder die gastfreundliche Halle-1-Atmosphäre.
\ Dirk Tölke
Zur Ateliergemeinschaft gehören heute Heinrich Hüsch, Francesca Larkin, Nadine Liesse, Christina Minkenberg, Roswitha Mauckner, Katrin Plitzner, Detlef Schneider, Uta Schirin, Claudia Schumacher, Mirjana Stein-Arsic, Claudia von Wernsdorff und Peter Zimmermann. Dazu gehörten als Gründungsmitglieder seit 2003: Wolfgang Schilling, Anja Goslar, Anja Goossens, Claudia Umland und danach zeitweilig Kirsten Petzold, Eberhard Nehls, Nasser Eghbalpour, Kerstin Nützmann, Almut Schaale-Schilling und Sascha Donsbach.
12.-14.5., Eröffnung 12.5., 18 Uhr
„Kunstmalzwanzig“ - 20 Jahre Halle 1
Ateliergemeinschaft Halle 1
WEITEREMPFEHLEN