Das Marres in Maastricht versucht sich den gestalterischen Entwicklungsströmungen des 20. Jahrhunderts nach Ausstellungen zur russischen Schizorevolution und zur Despression nun über das Werk eines Künstlers aus einem Jahr zu nähern. Bezug nehmend auf die Ausstellung „Landscape for a new planet“ von 1969 im National Museum in Stockholm wird das Werk des italienischen Avantgarde-Designers Ettore Sottsass (1917-2007) aus jenem Jahr präsentiert, der stets mit gestalterischen Stiltraditionen und Erwartungen gebrochen hat, auf der Suche nach einer zeitgemäßen und den Lebensanforderungen des Menschen und nicht der Produktion entsprechenden Gestaltung, ihrer sozialen und kulturellen und nicht nur technischen Funktion. Berühmt ist neben der Olivetti-Schreibmaschine „Valentine“ und neuen ergonomiebeflügelten Büromaschinenentwürfen vor allem die Gründung der Mailänder Gruppe „Memphis 1981“, die dem Geist der ?Guten Form? ein lebensfroh eklektisch postmodernes, quirlig spielerisches Gestaltungsbild entgegenhielt, das nicht pures Antidesign war, wie beim radikaleren Mendini und dem Studio Alchimia, sondern als Kleinserie produziert wurde, mit scheckigen Laminaten bedeckt, die auch schon auf den Werken auftauchen, die in Maastricht gezeigt werden: ein Keramik-Altar und drei Varianten der nur als Prototyp existierenden „Superbox“. In der Mitte seiner fast 70-jährigen Schaffenszeit war Sottsass beeinflusst von Indien- und USA-Reisen. Dort traf er Poeten der Beatgeneration, die der Bürgerkultur abweisend gegenüberstanden, und die Komsumwelt der Popkultur. Die Kultraumwirkung entfaltende Platzierung des totemartigen Monolithen in der Raummitte wertet die Behältnisfunktion der Box als Gegenstand der Sammlung kultisch auf, bricht sie aber wieder durch das Oberflächendekor. Das „nomadische Objekt“ dient dem Museum als Anreiz für eine durch Ausstellungen entfachte Disputkultur. Sein Zweck ist auch Denkanstöße und Empfindungen edler Heiterkeit zu liefern. Dieses Verstörungspotential hat das Werk von Sottsass auch weiterhin in hohem Maße. Ein radikaler Querdenker im Möbeldesign und im Bereich der dekorativen Künste, dem es nicht nur um die schöne Warenwelt ging, sondern um ihre sozialen Konsequenzen als Dekor der Lebenswelt.
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