Parallelwelten prallten auch hier aufeinander. Ein museal geschultes Publikum, das die Eröffnungsvorträge erduldete oder als Chance zum Verständnis nutzte, abgesehen vom Dank an Sponsoren, Team und Helfer, den die Höflichkeit gebietet. Und ein daran nicht gewöhntes oder nicht interessiertes brabbelndes Schlenderpublikum, dessen Gesamtstimmenchor die auserlesenen Klänge hochklassischer Zappa-Musik in genussferne Zonen hinwegschwemmte.
Eine quotenbereinigende Liveperformance von buffetorientiertem Besucherandrang, der dem Hause optisch gut tat, weil die Räume trotz ihrer momentanen musealen Einigelung damit locker fertig werden. Der schon bei der berühmten Fluxus-Aktion von 1964 im Audimax dabei gewesene Bazon Brock, Künstler und Ästhetikprofessor a.D., half mit seinem Wortvolumen nach, die Intentionen der Debattenkultur im Umfeld der Dokumenta 5 von 1972 verständlich zu machen, die zum Wort Hyperrealismus führten. Es ging den Künstlern mit den Mitteln des Fotorealismus nicht um eine mikroskopisch überhöhte Superrealität, sondern um Verweise auf die Wirklichkeit hinter den schönen Bildern der Kunst und hinter dem Schein der Werbe- und Filmwelt.
Diese durch Manipulation und Illusion geprägte Medienwelt und ihre öffentlich vervielfältigte Bildpropaganda erscheint als unsere Realität insofern, als diese Bilder für viele ihre Meinung und ihr Wissen über die Dinge in der Welt prägen, die über den engen Kreis persönlicher Erfahrungen hinausgehen. Da die Künstler die dahinter liegende Wirklichkeit darzustellen versuchten, blieb ihnen entweder ein Zugriff auf neue unerprobte Bildformen oder ein Angriff auf die Scheinwelt, deren Täuschungscharakter sichtbar gemacht werden sollte.
Diese Ent-Täuschung drehte Bazon Brock als eine positive Leistung der Künstler, die verschiedene Varianten nutzten, um die Bild- und Kunsterwartung des Publikums zu irritieren und Kunst aus der Feiertagsecke herauszuholen, wo sie als eine konfliktbereinigte und seelenerhebende Gegenwelt zur rauhen Wirklichkeit dargestellt und empfunden wurde/wird.
Wieviel Denktiefe und Erkenntniswert soll die Kunst von der Aufmerksamkeitserregung und Flüchtigkeit der Medien- und Werbebilder unterscheiden? Kann man mit den Bildmitteln der Konsumwelt die Tiefe wieder zurückholen? Hilft Enthaltsamkeit? Fragen über Fragen, Bilder über Bilder, viel zu gucken und zu verstehen. Auch bei attraktiven Wegguckenwollern an die man sich schon gewöhnt hat.
Einfach noch mal hingehen und die seit 20 Jahren in keiner Weise elitären Angebote der Museumspädagogik des Lufo nutzen, dass man nicht nur an seinen Ausstellungen messen sollte, sondern auch an seinem Kundendienst für ein erweitertes Bildverständnis, einem Bildungsangebot, das in einer von Bildwelten wie nie zuvor geprägten Gegenwart von eminenter Bedeutung ist – damit man wieder ein bisschen besser und weniger aufgeregt, als der Markt der Medien möchte, zwischen Realität und Wirklichkeit unterscheiden lernt.
Text: Dirk Tölke
bis 19.6.
Hyper Real – Kunst und Amerika um 1970
Ludwig-Forum für Internationale Kunst Aachen
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