Rost hat wohl immer noch Mühe, sein schlechtes Image im Rahmen der modernen Kunst zu verbessern. Seit den Empörungen über den steuerfinanzierten Schrott von Stahlskulpturen Richard Serras um 1979 begann man den Oberflächencharakter langsam als Ausdrucksmittel einer Materialsprache zu akzeptieren. Drei zu Serien neigende Künstler zeigen in Sankt Fronleichnam in würdiger Entspanntheit die Möglichkeiten, die ein Anflug von Rost oder porentiefer Frass bieten, um optische Wirkungen zu erzeugen. Karl von Monschau, der sich schon lange mit ungewöhnlichen Malmitteln aus Metall- und Bitumenfarben beschäftigt und über experimentelle Prozesse emblemhafte Formen mit Störfeldern in gestischer Manier hintermalt, hat sich vom Begriff Opferanode dazu anregen lassen, Metallplatten mit Säure, Metallstaub und Bindemitteln zu bemalen, auf die, wie im Schiffsbau, Zinkanoden in freien batterieartigen Formfindungen aufgebracht wurden, die sonst dazu dienen, den Korrosionsprozess auf sich zu ziehen. Während er sich den Rost regelrecht ermalt, lässt ihn der Bildhauer Joachim Peter Buchholz auf seinen Stahlskulpturen über einige Jahre natürlich entstehen und fixiert ihn dann mit Leinölüberzügen, die ihn von Orangebraun bis ins Schwarz changieren lassen können. Seine Spannungskörper entstehen aus Raumgittern von gebogenen Metallstreifen, die als versteiftes Gerüst einer von physikalischen Materialkräften bestimmten Form entsprechen, die dann so mit Blechen ausgefacht wird, dass eine geschlossene Hülle entsteht, die durch die belassenen Schweißnähte ihre Entstehung nachvollziehbar macht. Obwohl die Stelen, Herzstücke und Zellteilungen zunächst an Naturformen erinnern, ist ihre Form weder der Natur noch der Technik abgeguckt, sondern sucht eine freie Form ohne Vorbild, einen eigenständigen ästhetischen Weg. Der Fotograf Bernd Radtke schließlich hat durch Vernachlässigung entstandene Roststrukturen auf diversen Metalloberflächen aufgespürt und präsentiert seine Funde in quadratischem Format auf Fahnen. Unter dem Gesichtspunkt, sakral deutbare Signetformen in den Hinterlassenschaften menschlicher Einwirkungen auf rostenden Oberflächen zu finden, gelang ihm, in meist angeschnittenen Detailvergrößerungen, eine Vielzahl von technischen Formen und Korrosionsspuren zu finden, die wie Kreuze, Engel, Glaubensklammern und Schriftmenetekel wirken oder als Zyklus über die Schöpfungstage lesbar sind, auf die über Farbunterschiede, Zahlensymbolik und subtile Assoziationen angespielt wird, wie etwa Schrauben, die für das Auftauchen des Menschen, oder menoraförmige Kabelstränge, die für die Sonntagsruhe stehen. Eindringliche Werke, die lohnen, sie im Rahmen dieses besonderen Sakralraumes auf sich wirken zu lassen, in dessen Art-Deco-nüchternes Schwarz-Weiß sie sich sanft farbig einpassen. Nicht entgehen lassen.
bis 15.8.
Das alte Lied – Eisen (III) oxid
Karl von Monschau, Joachim Peter Buchholz, Bernd Radtke
Sankt Fronleichnam Aachen
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