Silvia Böhmer hat seit Jahren klassische Photographie im Suermondt-Ludwig-Museum präsentiert, das inzwischen zum Fotozentrum gewordene KUK hat durch Nina Mika-Helfmeier kontinuierlich qualitative Werke präsentiert, wie jetzt Bilder zum Fall der Berliner Mauer, in Maastricht und im nahen Belgien zeigen Ausstellungen ständig Zeitgenossen, die herausfordern. Die Region und auch Aachen müssen sich nicht verstecken und bekommen abseits vom Stichwort-Internet gut kommentierte gesammelte Blicke auf die Welt geliefert, denn neben wirkungsvollen Einzelwerken gestalten die Kuratoren gerade mit ihren Zusammenstellungen interessante Zusammenhänge in der Bilderflut unendlicher Momente und Möglichkeitswelten.

Wolfgang Becker zeigt aus seinen Beständen im Stadtbad Fotografien Aachener Künstler von 1970-2018. Als Leiter der Galerie Ludwig fing er 1974 mit Barbara und Michael Leisgen eine Serie von Fotoausstellungen an, als Fotografie noch nicht als Kunst anerkannt war. Als technisches Hilfsmittel eingeschätzt, änderte sich dies erst mit einer Abteilung in der Dokumenta 8 von 1977. Bald wurde auch Farbe neben Schwarz-weiß als Foto-grafische Kunst anerkannt. Mit dem „Lichttropfen“ war Aachen Standort einer ersten Foto-Galerie von Wilhelm Schürmann und Rudolf Kicken, dem „medium A“ folgte und 1979 Stipendienvergaben der Stadt Aachen an Vertreter der neuen Kunstform. Viele aus der sich entwickelnden Szene waren Autodidakten und als Studierende nach Aachen gekommen. Andere sind gestandene PhotografenmeisterInnen. Anne Gold hat den Staffelstab von Ann Münchow übernommen und neben der klassischen musealen Dokumentation freie Bilder und Reportagen geschaffen. In all den sichtbaren, sonst männlichen Blicken auf Landschaften, Schaufenster, Exotisches steckt die Wahrnehmungsmentalität der Zeiten. Werbung prägt und wird durch Wilhelm Schürmann und Martin Kippenberger fotografisch diskreditiert. Meditatives, Strukturelles, Materielles, Raumplastisches, Formales, Ironisches, Witziges prägt die zu entdeckenden Werke, zu denen Künstler als Aufsichtskräfte tagweise Stellung nehmen.

Mit einem kleinen Katalogheft aufbereitet, werden die regionalen Anfänge sichtbar. Andreas Magdanz schloss da mit deutschlandweitem Renomee und dokumentarischer Wucht an (siehe rechte Spalte). International ist der Südafrikaner Gideon Mendel (*1959) unterwegs, genauso wie die ihn ausstellende Galerie ArtCo. Um in der Fülle der Reportagebilder auch von steigenden Umweltkatastrophen noch Wirkung zu zeigen, hat der Fotograf über Jahre inszenierte Bilder von überschwemmten Häusern und ihren Bewohnern gemacht, die sich in die Fluten gestellt haben und die zerstörerische Wirkung auf Materie und Psyche sichtbar machen, die mit Katastrophenvoyeurismus, Betroffenheitsanklage und Sensationsgier von Presse und Konsumenten spielen, aber doch auch die elementare Wucht der Ereignisse sichtbar machen, egal wie hoch der Wasserspiegel im einzelnen steht. Nicht erst ein Rekordranking zeigt das Leid und die Veränderung der Lebensumstände durch Naturphänomene, die Anpassungsdruck erzeugen. Die Einzelschicksale der Betroffenen sollen den Klimawandel als Zeugnisse sichtbar machen, nicht distanzierte Bilder von Gletschern oder Eisbären, die abgenutzt erscheinen, ins Symbolhafte driften und durch neue, einprägsame Bilder ersetzt werden, die Emotionen auslösen. Fotografie als Einflussgröße, auch ohne Like.

bis 15.12.
„Bilder aus einem vergangenen Land.
Fall der Berliner Mauer“
KUK der Städteregion Aachen

bis 16. 10.
„Geschenkt – Gesammelt“
Stadtbad Aachen

bis 31.10.   
„Drowning World & Burnt Memories“ – Gideon Mendel
Artco-Galerie Aachen  

bis November
Tim Berresheim
Die Kabine, Theaterstr. 66