Von Belinda Petri
Vor rund 100 Jahren – am 4. November 1922 – entdeckte der britische Archäologe Howard Carter im ägyptischen West-Theben die letzte Ruhestätte des Kindkönigs Tutanchamun. Der Sensationsfund des fast intakten Grabschatzes aus mehr als 250 Kilogramm Gold sorgte dafür, dass der zu Lebzeiten eher unbedeutende Pharao Tutanchamun weltberühmt wurde und die ägyptische Grabkultur bis heute die Menschen fasziniert.
Der einmalige Fund – das Grab Tutanchamuns enthielt insgesamt 5398 Objekte – stellte eine große logistische Herausforderung dar: Zehn Jahre lang katalogisierten Carter und seine Helfer akribisch die Grabräume, während sie sich vor Presse und Schaulustigen kaum retten konnten. Für die Bergung, die Katalogisierung und Konservierung sowie den Transport nach Kairo wurden elektrischer Strom, Material und Personal in nicht gekanntem Ausmaß benötigt.
Der Jahrhundertfund löste eine weltweite „Ägyptomanie“ aus. Als dann noch Carters Auftraggeber Lord Carnavon angeblich am Fluch des Pharaos starb, mit dem dieser sein Grab gegen Eindringlinge schützte, sorgte das für eine bis heute anhaltende Mythenbildung. KV62, so die wissenschaftliche Bezeichnung für das Grab von Tutanchamun im King‘s Valley, dem Tal der Könige, ist auch heute noch ein Touristenmagnet. Die wichtigsten Fundstücke – darunter die berühmte blau-goldene Totenmaske des Pharaos – befinden sich im Ägyptischen Museum in Kairo, der Sarkophag mit dem mumifizierten Leichnam des Pharaos ruht weiterhin in der Grabkammer mit prächtigen Malereien.
Wer also war dieser Tutanchamun? Der Sohn von Pharao Echnaton hieß zunächst Tutanchaton, übersetzt „lebendes Abbild des Aton“, denn bei seiner Geburt wurde – auf Anweisung des Altpharaos – noch der Gott Aton verehrt. Als die Priesterschaft sich nach Echnatons Tod gegen diese Religionsreform auflehnte und wieder den Gott Amun anbetete, änderte der Kindkönig, der mit neun Jahren den Thron bestieg, seinen Namen in Tutanchamun. Der junge Pharao war nicht einmal 20 Jahre alt, als er 1323 vor Christus starb und dem ägyptischen Brauch entsprechend begraben wurde.
Für die Lütticher Ausstellung wurden rund 250 Objekte in den Werkstätten des Ministeriums für ägyptische Antiquitäten in Kairo originalgetreu nachgebildet, dazu kommen etliche Kunstwerke aus Museen und Privatsammlungen. Wie bei den populären Guillemins-Ausstellungen, Zum Beispiel „Salvator Dalí“ oder „Generation 80 Experience“ zuvor, verstehen es der wissenschaftliche Leiter Dimitri Laboury und sein Team mit einer cleveren Inszenierung eine atmosphärische Ausstellung zu gestalten. Die niedrige Deckenhöhe sorgt für einen zusätzlichen Effekt – man fühlt sich tatsächlich wie in einer Grabkammer. Dieser didaktische Ansatz macht den Reiz der großen Mumien-Show aus: Man betritt die Grabkammern mit all ihrem Prunk und ihrer faszinierenden Ausstattung staunend wie einst der Entdecker Howard Carter. Da die Ausstellung bereits zum Jahreswechsel mehr als 20.000 Besucher verzeichnete, empfiehlt sich die Buchung des Tickets vorab über die Website.
Neben der leidenschaftlich geführten Diskussion um Restitutionen kolonialer Artefakte, birgt die Ausstellung aber auch ganz tagesaktuelle Fragen zum Umgang mit Kulturgut: 2011 kam es bei den Revolutionsunruhen im Ägyptischen Museum in Kairo zu Plünderungen, seitdem werden auch Exponate aus dem Pharaonengrab vermisst. Anfang 2020 drohte Donald Trump, iranische Kulturstätten als Vergeltungsakt zu attackieren, was international für Empörung sorgte, sodass die UN-Kulturorganisation Unesco mahnte, sich an internationale Übereinkommen zum Schutz von Kulturstätten zu halten. Anscheinend bleibt Kulturgut auch weiterhin eher der Spielball politischer (und wirtschaftlicher) Interessen, als dass sich die Menschheit gemeinsam an der Schönheit und historischen Bedeutung antiker Objekte erfreut. \
Rand Notiz
Die berühmte goldene Totenmaske des Tutanchamun wiegt rund zwölf Kilogramm und bedeckte Kopf, Schultern und Brust. Der König ist mit einem Nemes-Kopftuch dargestellt, die Augen sind mit Lapislazuli umrandet. Der innerste Sarg, in dem sich die Mumie befand, besteht aus reinem Gold und wiegt über 100 Kilogramm. \
bis 31.5.
„Tutanchamun – Auf den Spuren des vergessenen Pharaos“
Mo-So 10-18 Uhr , Bahnhof Guillemins, Lüttich
Tickets 14 Euro, am Wochenende 16 Euro, verschiedene Ermäßigungen (Buchung über Website angeraten)
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