Im Jahr 2000 zählten die Chroniken der Zeitungen „Frankfurter Rundschau“ und „Der Tagesspiegel“ 93 Todesopfer rechter Gewalt seit der Wiedervereinigung. Die Dunkelziffer wird viel höher geschätzt. Die Künstlerin Rebecca Forner nahm die Chroniken zum Anlass, die Ausstellung „Opfer rechter Gewalt seit 1990“ zu konzipieren. Zusammen mit dem Verein Opferperspektive widmet sie sich den 183 Opfern, die zwischen 1990 und 2017 zu Tode kamen. Im Internationalen Zeitungsmuseum, in der Stadtbibliothek und in den Räumlichkeiten der Volkshochschule Aachen zeigen blau-weiße Tafeln einen Infotext mit wenigen Angaben: Name, Alter, Beruf und Todesursache. Darüber die gerasterten Gesichter der Opfer – oder auch nicht. Denn von einigen sind nicht einmal Bilder vorhanden.
Rebecca Forner möchte mit der siebten Auflage ihrer Ausstellung mehr als nur den Opfern gedenken. Bewusstsein soll geschaffen und das Spannungsfeld aufgezeigt werden, in dem wir uns befinden. So äußert sich die Künstlerin: „Ich bin ganz klar davon überzeugt, dass ich helfen muss, wenn jemand angegriffen wird. Ich weiß aber auch, dass ich in einer ¬solchen Situation Angst haben werde. Wenn ich eingreife, laufe ich selbst Gefahr, angegriffen zu werden. Wenn ich aber nicht eingreife, mache ich mich zur Mittäterin. In diesem Widerspruch bewege ich mich, und ich will, dass auch die Besucher darüber nachdenken.“
Der Besucher wird in der Ausstellung mit dem Bild von Hass und Gewalt, aber auch mit dem von Vielfalt und Offenheit konfrontiert. Denn neben dem Audiomaterial, den 188 Tafeln, von denen 183 die Todesopfer beschreiben, sind Urlaubskarten platziert. Die berechtigte Frage: Warum? „Es ist mir wichtig, dass diese Morde nicht losgelöst von der gesellschaftlichen Situation gesehen werden. Wir alle sind involviert, ob wir wollen oder nicht. Ich habe die Postkarten beliebig ausgewählt, weil die Morde überall stattfinden, nicht nur im Osten, auch in Baden-Württemberg“, sagt die Künstlerin.
Auf Spiegeltafeln stehen fragmentarische Fragen im Raum: „Täter?“, „Opfer?“, „Zuschauer?“. Fragen, die sich auch an den Besucher richten. Welche Verantwortung trägt die Gesellschaft, welche Rolle trägt man selbst? Auf¬klärung ist gefragt, denn der Kampf gegen Rechts ist noch lange nicht vorbei.
Die Ausstellungseröffnung findet am Samstag, 20. März, um 18 Uhr in der Volkshochschule statt.\ vb
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