Der Autor Christoph Höhtker ist vielen vielleicht nicht bekannt, seine seit circa 2013 publizierten Romane waren allerdings bereits für den Schweizer Buchpreis nominiert oder standen auf der Longlist des Deutschen Buchpreises. Höhtkers Prosa muss man sich als überhitztes, sprachlich sehr gewandtes Konglomerat aus dem Oeuvre eher schräger wie böser Buben des Literaturbetriebs vorstellen: Rainald Goetz, Joachim Lottmann, Brett Easton Ellis, Thomas Melle, Michel Houellebecq, Clemens Setz, Oskar Roehler bis hin zum umstrittenen Thor Kunkel. Prosa, die delirierte Bewusstseinszustände durch dekliniert, Romanfiguren Realitätslevel von -1, 0 und -2 zuordnet und Textformen wie Briefe, Gedichte, Threads, Fußnoten und dergleichen in die Handlungsebenen einschreibt. Klingt anstrengend? Ist es aber gar nicht.
„Schlachthof und Ordnung“ ist ein Roman, der in der deutschen wie französischen Provinz spielt. Alleine der Einstieg mit der Beschreibung des Investigativjournalisten Marc Toirsier bei seinem Besuch im effizient-kalten sowie durchgestylten Schlachthof des Fleischkonzern Milaut im Nordwesten Frankreichs ist rasant und mit spitzer Ironie formuliert. Was man auf den ersten Seiten noch nicht weiß: die Hauptrolle spielt ein selbstlernendes Psychopharmazeutikum namens Marazepam, kurz: Marom, an dessen perfidem Suchthaken ein Großteil der Figuren des Romans hängen – ein Werbemanager, eine Prostituierte/Terroristin, ein im deutschen Osten agierender Killer für die Organisation A.N.N.E. (Aktive Neo-Nazi-Entfernung) bis hin zum PR-Mann ebendiesen Pharmakonzerns. Allen Personen ist durch die Einnahme der Droge eine massive Erhöhung neuropsychologischer Funktionen wie Wahrnehmung, Zeitgefühl und Aufmerksamkeit gegeben. Ständig wird die eigene Handlung – beim Sex, in Angstzuständen oder sogar bei drastischen Bluttaten – manisch reflektiert und analysiert. Auf der Metaebene hofft derweil die Figur des Romanautors namens Joachim A. Gerke im Wartezimmer seines Arztes auf ein Marom R500-Rezept. Als der Arzt ihm dies verweigert, treibt ihn seine Sucht mit einem Amoklauf direkt in die wahnhaften Handlungsstränge seiner Protagonisten hinein.
„Schlachthof und Ordnung“ ist starker, bisweilen politisch inkorrekter Tobak, nihilistisch, satirisch und lustig und reitet gekonnt auf der Welle einer rauschhaften Dystopie. Nach 400 Seiten klappt man fast erschöpft, aber bestens unterhalten das Buch zu. \ rm
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