Die Krimis der US-Amerikanerin Sara Paretsky heben sich deutlich aus dem Gros der zeitgenössischen Krimi-Literatur hervor. Sie sind in jedem gewählten Sujet vor allen Dingen feministische und politische Werke.
Paretskys Privatdetektivin V.I. Warshawski ist seit 1982 auf den Straßen Chicagos unterwegs und als (jüngere) Figur altert sie parallel mit der Autorin. Die suchte seit Mitte der 70er Jahre einen anderen Ansatz, um einen Hard-boiled-Krimi zu schreiben und den hierin – von Krimilegenden wie Dashiel Hammett oder Raymond Chandler geprägten – Frauenbildern etwas entgegenzusetzen: „Im amerikanischen Noir ist eine Frau, die sexuell aktiv ist, fast immer der Bösewicht oder sie wird ermordet oder beides. Eine Frau, die kein Sexualleben hat, ist unschuldig, aber sie kann keine Probleme lösen, kann kaum ihre Schuhe ohne Aufsicht zubinden“, sagte Sara Paretsky in einem Interview.
„Landnahme“ ist der 20. Fall der Ermittlerin V.I. „Vic“ Warshawski und der dritte im Verlag ariadne, der die Autorin wieder stärker in den Focus deutscher Leser:innen und Kritiker:innen stellt. Die Schauplätze sind neben Chicago die ländlichen Weiten des US-Bundesstaats Kansas – aber die folgenschwere Ereignisse haben ihren geschichtlichen Hintergrund in der chilenischen Diktatur Augusto Pinochets ab Mitte der 70er Jahre.
„Landnahme“ illustriert neben Mord und Totschlag auch die unverfrorene Inbesitznahme von öffentlichem Gelände am Michigansee zum Erbau von gewinnträchtigen Luxusressorts – was natürlich vor der Öffentlichkeit verschleiert wird. Die Fäden zieht ein Konglomerat aus Medienkonzern, Anwaltskanzlei, rechten Wirtschaftswissenschaftlern mit Unterstützung korrupter städtischer Stellen zwischen Parkbehörde sowie Teilen der Polizei. Die ersten Opfer sind dann auch Mitglieder einer örtlichen Stadtteil-Initiative, die den Ränkespielen der mächtigen Gegner nicht gewachsen ist. Dreh- und Angelpunkt ist die Vergangenheit einer „vergessenen“ Liedermacherin und ein blutiges Attentat mit vielen Toten auf einem gegen Landnahme der Konzerne aktiven bäuerlichen Musikevent in den Weiten von Kansas.
Das klingt vielleicht dick aufgetragen, ist es aber nicht. Ein ausführliches Glossar am Ende des Buches verweist nochmals auf viele historische Parallelen, die im Roman thematisiert werden: Stadtplanung in Chicago und die wachsende Gentrifizierung, Landreform-Forderungen in der Landwirtschaft von Kansas, die Wirtschaftswissenschaftler der „Chicago Boys“, der „Rettig-Report“ über das Ende der Pinochet-Ära in Chile und viele mehr. \ rm
Sara Paretsky: „Landnahme“
ariande/Argument Verlag
524 Seiten, 24 Euro
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