Von Richard Mariaux
Die traditionsreiche Reihe „Literarischer Sommer / Literaire Zomer“ geht im August in seine letzte Runde. In Aachen, einer von 20 Partnerstädten der Reihe, sind dies die Lesungen von Mithu Sanyal am 28. Juli auf dem Lousberg und Bianca Nawrath am 19. August in der Buchhandlung Schmetz.
Ausführlich wurde Mithu Sanyal in der April-Ausgabe des „Klenkes“ vorgestellt. Dass „Rasse“ ein Konstrukt ist, untermauerte die Düsseldorfer Kulturwissenschaftlern Mithu Sanyal lust- und humorvoll in ihrem Debütroman „Identitti“ - thematisch sicherlich eines der Bücher des Jahres zum Themendiskurs Identität, Migrationsgeschichte, Postkolonialismus und Rassismus.
Auch die junge Autorin und Schauspielerin Bianca Nawrath thematisiert eine Migrationsgeschichte. Aber ihre Geschichte spielt nicht - wie bei Mithu Sanyal - im Düsseldorfer Uni. Ihr Roman „Iss das jetzt, wenn du mich liebst“ ist ein kleines bisschen autobiografisch und beschäftigt sich mit ihrer polnischen Familie - einer mit Problemen und Vorurteilen beladenen Familienbande, die gleichzeitig von großer Liebe zueinander getragen wird.
Auslöser mancher kultureller Irrungen und Wirrungen ist die Liebesgeschichte der jungen Berlinerin Kinga mit ihrem türkischstämmigen Freund Mahmut. Beide teilen heimlich seit Jahren eine gemeinsame Wohnung, nur die jeweiligen Eltern wissen nichts davon. Kinga sieht in der Hochzeit ihrer Nichte in Polen eine gute Gelegenheit, die Karten aufzudecken, zumal sie und ihr Freund sich ebenfalls eine baldige Heirat vorstellen können. Nach einem ersten Kennenlernen reisen sie gemeinsam mit den konsternierten Eltern nach Polen. Nicht nur dieser „Kulturschock“ führt zu rasanten Missverständnissen, auch Nawraths Schilderungen ihrer Jugend im prekären Märkischen Viertel im Nachwende-Berlin zeigt, wie nah sich in dieser Gesellschaft ausgegrenzte Menschen mit Migrationshintergrund in manchen Berliner Vierteln eigentlich sind – es aber aus religiösen oder von Nationalstolz beseelten Persepktiven nicht wahrhaben wollen.
Doch Kingas Freund Mahmut verzaubert dabei nicht nur wegen seines guten Aussehens, irritiert als Türke mit seinen modernen gesellschaftlichen Ansichten, sondern überzeugt auch ihre Verwandtschaft mit seinen Kreationen aus der türkischen Küche.
Der Gurkentopf auf dem Cover steht sinnbildlich für die polnische Küche und die nach wie vor oft traditionelle Rolle der polnischen Müttergeneration in der dortigen Küche: Kluski (Kartoffelklöße), Gulasch und andere Unmengen Fleisch, Rotkohl, Gurken, Borschtsuppe werden bei der Hochzeit aufgetischt, dazu gibt es kistenweise Wodka.
Bianca Nawrath liebt selbstverständlich Gurken: „Eingelegte Gurken schmecken für mich nach Kindheit. Wenn es in Mamas Küche nach frischem Dill und Knoblauch riecht, läuft mir schon das Wasser im Mund zusammen. Leider heißt es dann erst mal noch geduldig sein, denn die eingelegten Gurken muss man etwa drei Tage lang ziehen lassen.“
Die junge Autorin ist sich sicher, dass ihre Familie stolz auf den Roman sein wird, „allerdings sind sie, im Gegensatz zu mir, keine Freunde vieler Worte. Ich werde ihren Stolz durch Gesten, Wärme und Liebe zu spüren bekommen.“ Nicht zu stoppen ist Bianca Nawrath bei der Benennung von weiblichen Vorbildern: „Es gibt so viele Granaten von Frauen in meinem Leben. Mama, meine Schwester Julia und Regina Szur, sie war meine Lehrerin für Darstellendes Spiel in der Oberstufe. Dann noch Astrid Lindgren, Rosa Luxemburg, Judi Dench, Paula Beer, Carla Juri, Saoirse Ronan, Emma Watson, Audre Lorde, Alicia Vikander, Meryl Streep, Carolin Kebekus, Melita Norwood, Margarete Stokowski, Emilia Smechowski, Deborah Feldman, Toni Morrison, Malgorzata Szumowska, Käthe Kollwitz, Jane Goodall, Harriet Tubman, Greta Thunberg. Um mal einen Bruchteil der Frauen zu nennen, die verrückte Dinge reißen und mich damit ziemlich stolz machen, eine Frau zu sein.“ \
19.8.
Lesung: Bianca Nawrath
Buchhandlung Schmetz am Dom, 20 Uhr
Tickets gibt es sowohl online als auch direkt bei der Buchhandlung
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