Jarvis Cockers Arbeiten gelten in der britischen Popmusik als „thinking man‘s pop“. Der Sänger der britischen Band Pulp moderiert Radiosendungen, schrieb aber auch Songs für Charlotte Gainsbourg, Marianne Faithful oder Nancy Sinatra und nahm einen Liederzyklus über das berühmte Chateau Marmont mit dem Pianisten Chilly Gonzalez auf. Als Brexit-Kritiker und politisch auf der äußersten linken Seite von Labour stehend, ist Cocker auch eine kritische Stimme im britischen Showgeschäft.
Es hat etwas Abstruses: Ein Mensch, dem zeit seines Lebens Entscheidungen schwerfallen und der eindeutig dem Typ „Sammler“ zuzuordnen ist, erhält eine Prämie in Form eines sechsstelligen Betrags von dem internationalen Verlag Penguin Books, verbunden mit der Auflage, seinen Dachboden zu entrümpeln. Dinge aus seiner Kindheit, Jugend und den Anfängen seiner zukünftigen Band Pulp werden also von Cocker ans Licht des Tages geholt und gewitzt und anekdotenhaft analysiert.
In diesem Sammelsurium kommen Kaugummipackungen, Postkarten, ein Stück Seife, Strickkrawatten, kaputte Brillen, Modellraumschiffe, Einkaufstüten, Sexheftchen oder ein gelb-weiß gepunktetes Acrylhemd zum Vorschein. Diese Dinge werden fotografiert und in dem sehr schön in verschiedenen farblichen Seiten zusammengestellten Buch zu einer eigenen kleinen Welt und ihren Geschichten verdichtet. Am Ende bleibt die Devise: „Keep or cob“.
Ganz nebenbei erzählt „Good Pop Bad Pop“ The Making of Pulp. Jarvis Cocker erfindet die Band in seinen Schulheften, illustriert mögliche Bühnenklamotten, entwirft Strategien, wie Pulp sich als David gegen den Goliath Musikindustrie durchsetzen soll – lange, bevor er überhaupt ein Instrument in der Hand hält, geschweige denn seine Berufung als androgyner Sänger der Band finden wird. Das Sammelsurium der Dinge illustriert schließlich auch die Pulp-Philosophie: Aus dem, was andere wegwerfen, etwas Neues machen. Das Konzept Subversive Affirmation feiert Erfolge mit Cockers hintergründigen Texten in den eher konventionellen Pulp-Songs.
Jarvis Cocker schont sich dabei selber nicht. Eine Fülle an peinlichen Veranstaltungen (erste Gigs, erste Prügeleien auf dem Schulhof sowie ein junger, ein Mädchen beeindrucken wollender Jarvis im kläglichen Fenstersturz mit Knochenbrüchen endend) durchzieht seine Erinnerungen in diesem Buch. Auch wenn man mit der Musik von Cocker/Pulp wenig anzufangen weiß – absolut lesenswert! Rm
WEITEREMPFEHLEN