Die Selbstmorde von Walter Hasenclever und Walter Benjamin legen mahnend Zeugnis ab von den Schicksalen zahlreicher deutscher Künstler, die während der Besatzung durch deutsche Truppen im Zweiten Weltkrieg als Exilanten in die unbesetzte Zone nach Südfrankreich flüchteten. Dort allerdings war die Gefahr mitnichten gebannt: Das dort regierende sogenannte Vichy-Regime kooperierte mit den Nazis. Ausländer wurden, wenn man ihrer habhaft wurde, in Lagern interniert.
Der Schriftsteller und Journalist Uwe Wittstock hat über diese weltweit wohl einmalige Fluchtgeschichte der europäischen Intellektuellen ein spannendes Buch geschrieben. Basierend auf Autobiografien, Briefwechseln, Tagebucheinträgen sowie subjektiv gefärbten Erinnerungen schildert Wittstock eindringlich die Qualen, Ängste und verzweifelten Taten von vielen Dutzend Fliehenden, vereint zu einem literarischen Tableau.
Die Beschreibung dieser Fluchtgeschichte(n) wäre nicht möglich gewesen ohne das Zutun des amerikanischen Journalisten Varian Fry und dessen Emergency Rescue Committee – eine in New York mithilfe von Spenden gegründete Hilfsorganisation für Flüchtlinge. Fry war ein Held wider Willen, ohne den die meisten Fluchtversuche ins Leere gelaufen wären. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingsarbeit widersetzte er sich sogar dem Komitee, verlängerte eigenmächtig seinen Aufenthalt in Marseille, setzte seine Ehe aufs Spiel. Unterstützung erhielt er einzig von Eleanor Roosevelt, der First Lady der USA. Unzähligen Künstlern, Komponisten und Autoren gelang dank Fry und seinen aus vielen Ländern stammenden Helferinnen und Helfern die Flucht in die USA, nach Mexiko, Kuba und in andere Länder. Heinrich und Golo Mann, Hannah Arendt, Lion Feuchtwanger, Alma Mahler-Werfel und Franz Werfel, Anna Seghers, Max Ernst und viele weitere wurden nicht zuletzt durch ihre späteren Werke zu wichtigen Zeitzeugen einer verheerenden Epoche, die deutsche und europäische Literaten und Geisteswissenschaftler der Auslöschung preisgab.\ Richard Mariaux
Uwe Wittstock liest im Rahmen des „Literarischen Sommer“ am Mittwoch, 21. August, 19 Uhr, in der „Bibliotheek“ in Vaals.
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