Von Julie Vandegaar
Geburtshelferinnen begleiten seit jeher werdende Mütter während Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit. Nun befindet sich die Ausbildung zur Hebamme in Deutschland im Umbruch. Auch in Aachen liegt Veränderung in der Luft.
Schwangerschaft und Geburt sind bis heute ein Wunder der Natur. Einem kleinen Menschen auf die Welt zu helfen, gehört wohl zu den schönsten Momenten im Leben einer Hebamme. Dennoch ist Nachwuchs schwer zu finden: Hebammen werden verzweifelt gesucht.
Die Geburtshilfe ist einer der ältesten (Frauen-)Berufe. Dessen Geschichte reicht weit in der Geschichte zurück und war ursprünglich eine solidarische Hilfe, die sich Frauen gegenseitig leisteten. Mitte des 20. Jahrhunderts kam dann der erste einschneidende Wandel: Die Verlagerung der Geburt in das Krankenhaus. Nun folgt ein neuer Abschnitt: Wer zukünftig Hebamme werden will, muss ein Studium absolvieren. So will es das neue Hebammengesetz von 2020.
Bislang fand die Hebammen-Ausbildung meistens an sogenannten Hebammenschulen statt. Die Auszubildenden hatten dann einen Ausbildungsvertrag mit der Klinik, die diese Einrichtung betreibt. Voraussetzung für eine solche Ausbildung war entweder mindestens ein mittlerer Schulabschluss oder ein Hauptschulabschluss mit abgeschlossener Berufsausbildung oder mit einer Zulassung als Krankenpflegehelfer. Die Hebammenausbil- dung umfasste mindestens 1.600 Theorie- und
3.000 Praxisstunden.
Dieses Modell der Ausbildung läuft allerdings in diesem Jahr aus. Künftig werden Hebammen und Entbindungspfleger nur noch in einem dualen Studium auf ihren Beruf vorbereitet. In vielen Städten in NRW, wie Köln oder Düsseldorf, ist der neue Studiengang bereits angelaufen. Ab dem Wintersemester 2022/23 startet auch an der RWTH Aachen der duale, praxisintegrierende Bachelorstudiengang Hebammenwissenschaft. Der neue Studiengang soll nicht nur das medizinische Studienangebot der RWTH erweitern, sondern den Absolventinnen weitreichende Perspektiven ermöglichen. So muss eine Hebamme in Zukunft nicht zwangsläufig den Rest ihres Lebens als Geburtshilfe tätig sein. Sie kann auch in der Forschung arbeiten oder als Lehrkraft ihr Wissen weitergeben. Außerdem wird mit dem regionalen Angebot auch versucht, die Versorgung in Aachen und Umgebung zu sichern.
„Das Herzstück des Studiums ist die enge Verzahnung der theoretischen und berufspraktischen Inhalte“, erklärt Kathrin Zednik, Pflegedirektorin der Uniklinik Aachen. „Nach jeder Theoriephase folgt in jedem Semester eine Praxisphase.“ So können die jeweiligen Theorieinhalte vertieft werden. Anders als bei der bisherigen Ausbildungsweise sieht das duale Studium eine geplante und strukturierte Praxisanleitung im Umfang von 25 Prozent vor. Auch das wissenschaftliche Arbeiten wird einen höheren Stellenwert als zuvor haben. Die Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen wie beispielsweise der Pflege oder Medizintechnik wird besser vorbereitet. Gemeinsame ethische Fallbesprechungen sollen den Studierenden die diversen Blickwinkel und Herangehensweisen näherbringen.
Mit der Akademisierung wird die EU-Richtlinie erfüllt, die seit 2013 Mindeststandards für den Hebammenberuf einfordert. Deutschland war bislang der letzte EU-Mitgliedsstaat, in dem diese Umstellung noch nicht umgesetzt wurde. Kathrin Zednik wünscht sich, „menschenfreundliche und qualitativ hochwertige Rahmenbedingungen für die Gestaltung des Beginns des Lebens.“ Ob durch die Verlegung der Ausbildung an Hochschulen, der Beruf an Attraktivität gewinnt, ist ungewiss. Für den Studiengang an der RWTH übersteigt die Zahl der Interessenten derzeit deutlich die Zahl der verfügbaren 40 Plätzen. Enttäuschend ist allerdings, dass sich bislang keine männlichen Kandidaten gemeldet haben. Die geschlechtsspezifische Konnotation wird der Hebamme wahrscheinlich länger erhalten bleiben.
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