Pandemie, Krieg, Inflation, Erderwärmung: Die Krisen dieser Zeit kommen geballt daher, sie sind bedrückend und sie werfen Fragen auf. Große, existenzielle Fragen, solche, die alle betreffen und nach umfassender Ausleuchtung und ausführlicher Besprechung verlangen. Gleichzeitig ist die Handlungsnot groß. Krisen benötigen schließlich Menschen, die etwas unternehmen, um sie einzudämmen. Mit der neuen Veranstaltungsreihe „Philosophy in the streets“ nimmt das Aachener Institut für Philosophie und Diskurs Logoi beides in den Blick und bringt Nachdenkende und Entscheidungstragende zusammen. „Wir möchten die Philosophie aus dem akademischen Rahmen herausholen“, sagt Institutsleiter Jürgen Kippenhan über das Projekt. Die einzelnen Veranstaltungen fänden deshalb an öffentlichen Orten statt, Eintrittskosten gebe es nicht. Auch Mitarbeiterin Susanne Vaaßen betont: „Wir wollen alle ansprechen: Akademiker und Nichtakademiker.“ Gelingen soll das mit drei Veranstaltungen, die ähnlich konzipiert sind, jeweils aus drei Komponenten bestehen und von Kippenhan moderiert werden, wie Vaaßen erläutert. Jedes Mal trifft eine philosophische auf eine politische Stimme, zusätzlich gibt es Kulturbeiträge. Das Projekt wird von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert. Den Anfang machen am 12. November um 15 Uhr in den Logoi-Räumen an der Jakobstraße in Aachen die Schriftstellerin Nora Bossong und Monschaus Bürgermeisterin und promovierte Philosophin Carmen Krämer. Die beiden sprechen über den „neuen Ernst des Lebens“, wie es in der Ankündigung heißt. Wie schlagen sich Menschen, die um die 40 Jahre alt sind, mit den Herausforderungen dieser besonderen Zeit? Welche Verantwortung trägt diese Generation? Dazu ist eine szenische Lesung der Schauspielerin Mona Creutzer aus Nora Bossongs Büchern „Auch morgen“ und „Die Geschmeidigen“ geplant. Weiter geht es am 25. November um 19 Uhr in der Mulde im Ludwig Forum an der Jülicher Straße. Dort sind Oxana Matiychuk und Patrick Föhl zu Gast. Sie ist Literaturwissenschaftlerin und Verfasserin des „Ukrainische Tagebuches“ in der Süddeutschen Zeitung. Außerdem leitet sie den ukrainisch-deutschen Kulturverein Tscherniwzi. Er ist Kulturentwicklungsplaner und Gründer des Netzwerks Kulturberatung. Zur Unterstützung von ukrainischen Kunstschaffenden realisiert er in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Ukraine das „Cultural Transformation Lab“. Matiychuk und Föhl sprechen über die kulturelle Identität und Zukunft Europas, mögliche Gründe und Folgen des Ost-West-Konfliktes sowie die Rolle von Kultur. Den kulturellen Beitrag liefert die Theaterschule Aachen mit einer Lesung aus dem „Ukrainischen Tagebuch“ unter der Leitung der ukrainischen Schauspielerin und Theaterdozentin Ievgeniia Ivanova. Den Schlusspunkt setzen Aachens Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen und der Aachener Philosoph, Autor und Journalist Gert Scobel am 1. Dezember im Pop-up-Campus an der Theaterstraße in Aachen. Es geht um gesellschaftliche Wandlungs- und städtische Transformationsprozesse, den öffentlichen Raum als Begegnungsort für gesellschaftlichen Austausch, demokratische Partizipation und die Verantwortung der Politik. Der Verein CulturBazar inszeniert in Zusammenarbeit mit dem Chor cantoAmore die Vorstellung „Antigone“ und will damit den Zwiespalt des Menschen als Individuum und als Mitglied der Gesellschaft thematisieren. Ein Institut, ein Museum und ein Pop-up-Campus: Wörtlich lässt sich „Philosophy in the streets“ nicht nehmen. Das ist den Veranstaltenden bewusst. Es gebe jedoch Überlegungen, die kommenden Reihen tatsächlich auf die Straße zu bringen, sagt Logoi-Mitarbeiterin Ines Finkeldei. \ Kian Tabatabaei
Logoi Institut für Philosophie und Diskurs Jakobstraße 25a Zusatzinfo Das Logoi ist ein privates und unabhängiges Institut für Philosophie und Diskurs, das 2009 von Jürgen Kippenhan gegründet wurde. Das Ziel ist, Räume für Diskussionen über existenzielle Fragen zu öffnen. Dazu bietet das Logoi regelmäßig unter anderem Lesungen, Seminare, Gesprächsrunden und Ausstellungen an.
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