Dass David Byrne ein ganz hervorragend analytisch-denkender Mensch ist, hat er in unzähligen Interviews und Essays bewiesen. Seine vielen Gedanken zur Musik im Allgemeinen packte er bereits 2012 in die US-amerikanische Erstveröffentlichung „How Music Works“, die der S. Fischer Verlag jetzt in deutscher Übersetzung veröffentlicht.
Byrne sieht die Veröffentlichung von Musik allumfassend. Er legt schlüssig dar, warum bestimmte (rhythmische) Musik am besten unter freiem Himmel funktioniert, wie sich die klassische Musik, die Oper oder sakrale Musik durch die Veränderung von Räumen gewandelt hat (Architektur als Instrument) und wie das Songschreiben in der digitalen Welt andere Ergebnisse zeitigt. „Heutzutage kann man perfekt klingende Songs im Schlafzimmer aufnehmen. Aber die Leute denken nicht daran, wie sie die dann live performen sollen. In meiner Generation haben wir zuerst auf der Bühne gestanden und dann die Songs aufgenommen. Heißt: Der Song entwickelte sich aus unserer Performance, daraus, wie das Publikum auf uns reagierte. Die Aufnahme war dann der Versuch, genau das festzuhalten.“
Verblüffend ähnlich sieht Byrne auch die Struktur unterschiedlicher Clubs wie dem CBGBs in New York oder der Tootsie’s Orchid Lounge in Nashville. Dort wo im CBGB‘s die Talking Heads, Ramones, Blondie, Television und viele mehr ihre erste musikalischen Laufschritte unternahmen, und der Sound von der Bühne mit einem kompakten Kneipenraum perfekt verschmolz, war es nicht so viel anders wie im legendären Absackerladen in Nashville, wo Bluegrass und Country die Gäste zum lauten Amüsement und Trinken anhielt.
Mit der Erfindung der Tonträgertechnik veränderte sich Musik ein weiteres Mal. Zuerst war es das Radio beziehungsweise das Grammophon oder der Phonographenschrank im Wohnzimmer, dann wurde Musik ausdrücklich für Discos und die Tanzfläche geschrieben. Ab den 60ern zog die Popmusik in Basketballhallen und riesige Stadien – man denke an den vergeblichen Versuch der Beatles und ihrer Tonlage mit den kreischenden Fans im Shea-Stadium mitzuhalten – und mit Entwicklung des MP3-Players, den bassfreudigen High-End-Komponenten in tiefergelegten Autos vollzog sich ein weiterer Paradigmenwechsel. Aber auch dem Künstlertum und ihrer monetären Schwierigkeiten will Byrne den Nachwuchs ansprechend, Ratgeber sein. „Vergiss die romantische Idee, dass ein Künstler nichts über Geld wissen muss.“
Byrnes musiktheoretische Reflexionen sind gespickt mit autobiografischen Details, die mit Witz und viel Esprit rüberkommen. Diese lockern das Buch in den richtigen Momenten auf und helfen manch sperrigen Abschnitten über die nächste Hürde zu einem insgesamt gelungenen Lesevergnügen. \ rm
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