„i, i“ ist schimmerndes Gelb mit warmen Unterton, „iMi“, der Opener, beginnt wie eine Einladung in den zerfallenen Jurassic Park, eine Klarstellung, dass hier mal wieder Digitales mit Analogem gelayert wird, eine Schichtung, die, wenn sie gelingt, modifizierte Pop/Folk-Ideen durch ein Kontextshift amplifiziert, die, wenn sie nicht gelingt, mich als Hörer irritierend stehen lässt. Bon Ivers Gebrauch von harmonisierten Gesangslinien beflügelt mit Harmonizer und Registerwechsel der Stimme - eine Intention, indem sie als Interpunktion eingesetzt wird. Die Band kennt sich aus im Pop/Folk-Ozean der Be- und Entgrenzungen. An manchen Stellen erkennt man die Gefahr des „zu vielem“, wenn Iterationen nicht klärend sind, für mich nicht immer die hypnotische Wirkung entfalten. Exemplarisch, „Faith“ mit einfachen Seitenwegen, Soundtupfern wird eine Soundlandschaft angeboten, die viel Raum bietet für assoziative Bilder, fast friedlich, und in diesen Raum lassen sich einfache harmonische Kadenzen gedehnt entwickeln.
Damit schafft Bon Iver, dass im Warten Spannung entsteht. Die Produktion ist exzellent aufgenommen, Bläser und Chöre sind lebendig und fast zärtlich zu hören. Dass ich mir immer wieder bewusst werde, dass Bon Iver nicht nur ein singulärer Künstler (Justin Vernon) sondern ein sich entwickelndes Kollektiv ist, spricht für die Band. Diese Entwicklung ist spürbar hörbar, von dem Einsamen, in der Berghütte komponierenden „Folk Pop Erneuerer Genius Mythos“ hin zu einem System sich fördernder Musiker, die ihre eigene Sensibilität reflektieren. Auf „i,i“ kann man Verletzbarkeit in Bildern, Formen und Klängen hören, die alle Künstler mutig auszeichnet, die sich nach neuen Möglichkeiten und Kombinationen sehnen.
WEITEREMPFEHLEN