Von Verena Bodenstein
Nanu – schwarzes Hemd, sportliche Statur und lässige Sonnenbrille. Darf ich vorstellen: Erster Vorsitzende des Dauergartenvereins Sebastian Schmidt (39). Längst sind die Zeiten vorbei, in denen nur ältere Herren eine Schrebergartenanlage leiten.
Sebastian ist gelernter Industriemechaniker. Ein Beruf, der sich bei der Leitung des Dauergartenvereins auszahlt. Dinge anzupacken, da kennt Sebastian sich aus. „Egal, was im Schrebergarten ansteht – Zäune bauen, Beete anlegen oder Gartenhäuschen renovieren – alles kein Problem“, sagt Sebastian.
Doch zunächst einmal gibt er beim Interviewtermin eine Kurzführung durch die Anlage – ein Erholungsort für Aachener. Denn nicht nur Schrebergartenbesitzer dürfen die Gartenanlage in Aachen-Burtscheid betreten, auch Fußgänger können durch die verwinkelten Wege schlendern oder sich auf der Festwiese des Vereins erholen. Das erlaubt ein Beschluss des Aachener Stadtverbands, der alle Schrebergärten in Aachen verwaltet. Es lohnt sich sehr, dem „Dauergartenverein – Eupener Straße 1947 e.V.“ einen Besuch abzustatten. Bereits beim Hinabsteigen der Stufen, die zu den Gärten ins Tal führen, erhaschen Besucher einen herrlichen Ausblick auf die idyllischen und pflanzenreichen Gärten. „In Zeiten von Corona werden Schrebergärten noch einmal mehr wertgeschätzt“, so Sebastian.
Schnell wird einem klar: Hinter jedem Zaun steckt sehr viel Arbeit, Zeit und Liebe. „Das war nicht immer so“, berichtet Sebastian. „Bevor ich das Ruder übernommen habe, war die Gartenanlage etwas heruntergekommen und stand kurz vor dem Aus. Es war hier auch viel anonymer. Daher habe ich eine WhatsApp-Gruppe gegründet, zu der ich fast alle Schrebergartenbesitzer eingeladen habe. Die Leute kennen sich nun und wir planen gemeinsame Aktionen. Auch die Gemeinschaftsarbeit, zu der sich jeder mit einem Schrebergarten verpflichtet, gestaltet sich einfacher. Die letzte war richtig gut. Insgesamt haben wir mit 20 Pächtern – plus Freunde und Familienmitglieder – 190 Stunden Gemeinschaftsarbeit zusammenbekommen. Das war Wahnsinn.“
Selbstverständlich wurden aufgrund der derzeitigen Corona-Krise auch die nötigen Sicherheitsmaßnahmen umgesetzt. Familien durften zusammenarbeiten, ansonsten wurden Zweier-Gruppen gegründet, die mit einem Sicherheitsabstand von 1,5 bis zwei Metern zueinander ihre Arbeit erledigten: unter anderem Unkraut jäteten, Wege ausbauten und Beete bepflanzten. In der Pause wurde das Vereinshäuschen geöffnet. Hier konnten sich dann alle nacheinander eine kleine Stärkung holen. Auf der Festwiese ist zum Glück genügend Platz, sodass jeder seinen Pausensnack mit reichlich Abstand genießen konnte. „Es geht nichts über gutes Teamwork.“
Sebastian ist bei so viel Zusammenarbeit noch motivierter, um auch weitere Projekte anzugehen. Zum Beispiel ist ein Naturgarten in Planung und auch die Kompostanlage soll ausgebaut werden, sodass nicht nur die Schrebergartenbesitzer Grünschnitt-Container-Gebühren sparen, sondern auch kostbare Biomasse aus ihren Gärten behalten können. Sebastian sagt stolz: „Der Biokompost besitzt eine Kapazität von 7.000 Litern. Vorher hatten wir gar keinen. Für uns ist das ein großer Fortschritt.“
Was muss bei einem Schrebergarten beachtet werden?
Beim Schrebergarten „Dauergartenverein – Eupener Straße 1947 e.V.“ gilt die Ein-Drittel-Regel. Heißt, jeder Garten sollte zu einem Drittel als Nutzgarten, zu einem weiteren Drittel als Erholungsfläche und zu einem letzten Drittel als Bebauungsfläche (zum Beispiel für ein Gartenhäuschen oder einen Weg) genutzt werden. Sebastian zahlt für seinen 270 Quadratmeter großen Garten jährlich 400 Euro. Diese 400 Euro beinhalten die Kosten für Wasser und Strom als auch den Versicherung- und Vereinsbeitrag (70 Euro). Zusätzlich kommt noch der einmalige Kauf des Schrebergartengrundstücks vom Vorgänger. Der Preis hängt immer von der vorherigen Wertermittlung des Grundstücks ab, kann aber locker 500 bis 7.500 Euro kosten. Was ebenfalls jeder potenzielle Schrebergartenbesitzer beachten muss, ist die Teilnahme an der jährlich stattfindenden Vereinsversammlung als auch die bereits erwähnten 15 Stunden Gemeinschaftsarbeit. Das klappt im Dauergartenverein in Burtscheid sehr gut, besonders wenn Familienmitglieder oder Freunde bei der Ableistung der Stunden mithelfen.
Sebastians Pack-an-Einstellung hat in der Schrebergartenkolonie einiges verändert. Auch das Klischee-Image des Spießbürgertums, das man gerne mit Kleingartenanlagen verbindet, passt hier nicht rein. Das liegt vor allem an den unterschiedlichen Projekten, die Sebastian vorantreibt. Er möchte den Bach – derzeit eine Wasserrinne – wieder zu einem natürlichen Bach gestalten und die Schrebergartenanlage zum Naturschutzgebiet erklären lassen. Dafür hat er extra den Naturschutzbund eingeladen. Sobald der Garten zum Schutzgebiet erklärt wird, müssen die Schrebergartenbesitzer auch keinen Verlust der Anlage mehr befürchten. Schon seit längerer Zeit liebäugeln externe Interessenten mit der Fläche des Dauergartens und hoffen insgeheim, dass die Gartenanlage aufgegeben wird. Denn stadtzentrumsnahe Flächen zum Bebauen von Häusern sind rar. Der Schrebergarten wird automatisch zum idealen Investitionsobjekt für viele Immobilienmakler. Aber die Rechnung wurde nicht mit Sebastian gemacht. Er setzt sich für seinen Verein ein und plant sogar, das Vereinshaus zu einer Kita umzugestalten. Dafür ist er gerade mit vielen Menschen im Gespräch, um auch die rechtlichen Bedingungen für sein Vorhaben zu klären.
Eine Schrebergartenanlage mit sozialem Charakter. Während des Interviewtermins schaut Sebastians Freundin Mandy vorbei. „Ich wollte nicht stören. Ich muss nur kurz meine Sachen holen. Gleich geht Yoga los.“ Als Mandy um die Ecke verschwindet, fügt Sebastian hinzu: „Eine Freundin gibt gleich in ihrem Garten Yoga-Unterricht.“ In diesem kleinen Paradies? Da macht Yoga gleich doppelt Spaß. \
Artenschutz
Es gibt auch einen guten Grund für den Besuch des Naturschutzbundes im „Dauergartenverein – Eupener Straße 1947 e.V.“. Nämlich die Geburtshelferkröte. Sie zählt zu den gefährdeten Tierarten, die auch im Dauergartenverein in Aachen-Burtscheid ihre Heimat hat. In den Frühjahrsmonaten ist vor allem die männliche Geburtshelferkröte äußerst aktiv. Im Gegensatz zu vielen weiteren Krötengattungen sind nämlich die Männchen nach der Befruchtung für den Laich verantwortlich und tragen die sogenannten Laichschnüre an ihren Hinterbeinen vom Ort der Befruchtung bis zum geeigneten Gewässer. Das kann ein Teich oder Tümpel sein oder – wie im Fall des Schrebergartens in Burtscheid – ein kleiner Bach. \
Website Dauergartenverein – Eupener Straße 1947 e.V.
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