Von Richard Mariaux
Die Musikszene ist wie alle Kultureinrichtungen stark betroffen vom Lockdown innerhalb der Corona-Krise. Auch wenn am 20. April wieder kleinere Einzelhandelsläden öffnen durften, gilt das für jedwede Aufführungen auf den Bühnenbrettern keineswegs. Im Gegenteil, das Damoklesschwert für Live-Clubs oder Open Air-Festivals schwebt mit einer vorläufigen Verbotsgrenze derzeit bis zum 31. August. Der KLENKES fragte bei Musikerinnen und Musikern nach, deren Musik als Haupterwerb dient und die derzeit (fast) ohne Einkommen dastehen.
Andy Reinard (unter anderem Señor Torpedo, Ringo, Grundrauschen)
Als Musiklehrer haben wir an der MuFab innerhalb von 48 Stunden nach dem Lockdown den Unterricht auf Online umgestellt, das funktioniert viel besser als gedacht. Außerdem rechne ich damit, dass es an der Musikschule bald mit dem Einzelunterricht weitergeht, denn da ist es möglich Abstands- und Hygiene-Regeln einzuhalten.
Düster sieht es hingegen für mich als Musiker auf der Bühne aus. Wann es wieder Konzerte geben wird vermag niemand sicher zu sagen. Dadurch fällt für mich ein Großteil meines Einkommens, aber auch meine eigentliche Berufung, für lange Zeit weg. Aber jeder Break hat auch die Chance auf einen Neuanfang. Dafür wünsche ich mir, dass das Geld was jetzt großzügig zur Rettung von Unternehmen verteilt wird, dann nicht bei so wichtigen Bereichen wie der Kultur wieder eingespart wird. Aber zum Glück sind wir nicht ganz zur Untätigkeit in der Krise verdammt. Am 2. Mai haben wir mit Grundrauschen ein Live-Stream-Konzert aus dem Alten Schlachthof in Eupen gespielt. Außerdem arbeiten wir an einer Neuen Señor Torpedo Platte, die 2021 erscheint.
Birgit Baum (Flötistin, Leiterin der freien Musikschule music loft)
Die behördliche Schließung auch der privaten Musikschulen stellte uns vor völlig neue Herausforderungen. Nach einer Krisensitzung Mitte März haben sich alle Lehrenden persönlich an ihre Schüler gewandt, um gemeinsam zu überlegen, wie weiterhin individuelle Unterrichtsausgestaltung möglich ist. Nicht alle Angebote sind für jeden Schüler möglich, hängen sie doch von den technischen Möglichkeiten auf beiden Seiten als auch von inhaltlichen Fragen ab.
Wir können aber feststellen, dass eine relevante Anzahl unserer Schüler dieses Angebot gerne annehmen und dass damit sinnvoll die Zeit überbrückt werden kann, in der der „normale“ Unterricht entfallen muss. Ohne die Lage irgendwie beschönigen zu wollen, hat sie auch positive Nebeneffekte. In dieser angebotsausgedünnten Zeit rückt die Musik und das Instrumentalspiel sehr in den Fokus der Menschen. Viele Schüler – sowohl Erwachsene als auch Kinder, sind dankbar für die online Fortführung des Unterrichts und entdecken gerade noch einmal das Instrumentalspiel neu.
Die Ungewissheit, wie lange der jetzige Zustand noch andauert, ob die Corona Beschränkungen auch für die Musikschule und wenn ja, in welcher Form gelockert werden, ob unsere Schüler auf Dauer „bei der Stange“ bleiben, ob die Honorarzahlungen an die Lehrenden auf Dauer weitergezahlt werden können, schafft Unsicherheit und veranschaulicht noch einmal deutlich die Labilität einer sozialen Situation, in der sich alle freischaffenden Künstler generell befinden.
Anders sieht es aus beim Wegfall von Liveauftritten und Konzerten. Damit den Künstlerinnen und Künstlern nicht nur noch der Gang zu den Jobcentern bleibt, die mit der besonderen Situation der Künstler ohne feste Anstellung nur wenig vertraut sind, muss die Landesregierung das Soforthilfeprogramm auch für Künstler wieder öffnen beziehungsweise mit einem neuen und ersetzenden Hilfsprogramm oder einem temporären Kulturnothilfefonds reagieren.
Der Aachener Musiker HeJoe Schenkelberg schickte eine Rundmail.
Man kann sich freuen über einen blauen Himmel ohne Streifen und für Viele ist es eine Zeit, zur Ruhe kommen zu können, der Hektik zu entrinnen … Mir selbst geht es übrigens bis jetzt gut, ich habe wert- und vertrauensvolle Unterstützung in Form von Gagen-Vorauszahlungen bekommen, wodurch ich bis jetzt gut durchkommen konnte. Dankeschön! Es war sehr erfreulich, dass die Kulturschaffenden sehr selbstbewusst auf die Krise in Form von Petitionen verschiedener Art reagiert haben, und dass es eine allgemein spürbare Solidarität gab und gibt! Ich selbst habe wie viele Andere auch den Antrag auf Soforthilfe für freischaffende Künstlerinnen und Künstler gestellt, allerdings bisher noch keine Reaktion erhalten …
Heiko Wätjen (unter anderem Lagerfeuer Trio, Mikas Allstars, Solo)
Als Lehrender bin ich ja mittlerweile ausschließlich an der MuFab tätig und das auch nur noch in begrenztem Umfang (zur Zeit elf Schüler). Zum Glück hat bisher kein Schüler gekündigt. Ich unterrichte online per Skype, Zoom und Facetime, je nach Präferenz. Ein fortgeschrittener Schüler bekommt wöchentlich kurze Videos mit kompakt zusammengefassten Unterrichtsinhalten, damit er nicht an eine feste Zeit gebunden ist. Die MuFab unterstützt uns als Dozenten da sehr gut, hat an der Schule selber ausreichend Bandbreite, so dass man einigermaßen reibungsfrei von dort aus unterrichten kann, was in meinem Fall von Zuhause schwierig wäre.
Was das Livespielen angeht, ist die Sache schwieriger. Das trifft uns als Lagerfeuer Trio insofern hart, als dass die Zeit Mitte April bis Anfang Juli mit ihren zahlreichen Stadtfesten und Open-Air-Veranstaltungen natürlich für uns absolute Hauptsaison ist. Die aktuell wegfallenden Gagen sind ein großes Problem, da wohl nur die allerwenigsten Künstler große Rücklagen haben. Mir fehlen 60-70 Prozent meines Einkommens, und die oben beschriebenen Online-Konzerte sowie vereinzelt ausgezahlte Ausfallhonorare von maximal 25 Prozent der Vertragsgage fangen das bei weitem nicht auf.
Die Politik hat das grundsätzlich schnell erkannt und auch durchaus positive Signale ausgesandt, leider hapert es aktuell aber sehr in der Umsetzung. Es gab ein Soforthilfeprogramm für Künstlerinnen und Künstler, 2.000 Euro, nicht rückzahlbar, keine Nachweispflicht, das jedoch über die Bezirksregierungen abgewickelt wurde, die (so meine Vermutung) wahrscheinlich einfach der Flut an Anträgen nicht ganz gewachsen waren. Trotz frühzeitiger Beantragung am 23. März habe ich gestern den Bescheid erhalten, dass meinem Antrag nicht stattgegeben werden könne, da die Mittel ausgeschöpft seien.
Ein Corona-Nothilfe-Programm des Bundes für Kleinbetriebe und Solo-Selbstständige mit 9.000 Euro Umfang wurde zwar zügig bewilligt und das Geld auch angewiesen, jedoch sieht es aktuell so aus, dass das Geld ausschließlich für Betriebsausgaben verwendet werden darf. Das ist für freiberufliche Musiker natürlich ein Witz, da in der Regel die Büroarbeit von Zuhause gemacht wird, sich Instrumente, Auto und so weiter in Privatbesitz befinden und somit die einzigen Betriebsausgaben vielleicht mal ein Satz Saiten, eine neue externe Festplatte oder Proberaummiete wären. Essen und wohnen muss man aber trotzdem. Ich würde mir diesbezüglich wünschen, dass entweder zugelassen wird, dass sich Solo-Selbstständige aus diesem Geld selber ein an der letzten Steuererklärung bemessenes Gehalt zahlen oder dass man, zumindest zu 80 Prozent, nachweislich aufgrund von Corona weggefallene Honorar/Gagen daraus entnehmen darf. In jedem Falle muß da Rechtssicherheit geschaffen werden. \
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