Interview: Simon Wirtz
Zusammen mit Ärzten und Pflegern aus allen Fachrichtungen arbeiten Sie seit Kurzem auf einer Station, auf der nur Corona-Patienten behandelt werden. Wie nehmen Sie die aktuelle Situation wahr? Was hat sich auf Station seit Beginn der Corona-Krise für Sie geändert?
Ich arbeite normalerweise auf einer Station für planbare OPs, die ja eingeschränkt wurden. Die wurde dann erstmal geschlossen. Mein neuer Arbeitsort ist seit ein paar Wochen eine neu eingerichtete Corona-Station mit etwa 20 Betten, auf der wir nur Patienten behandeln, die das Virus haben oder Verdachtsfälle sind. Dort ist alles ganz anders als sonst: Es gibt fast nur Einzelzimmer, vor denen Isolationstische mit allen benötigten Schutzmaterialien stehen. Jedes Mal wenn wir ins Zimmer gehen, müssen wir die komplette Schutzmontur neu anziehen: das sind Kittel, Handschuhe, Haarhaube und FSP2-Maske – danach wird sie weggeworfen. Die Ausrüstung wird abgezählt, knapp ist sie zum Glück bei uns nicht.
Finden Sie die Maskenpflicht in Geschäften und dem öffentlichen Nahverkehr richtig?
Nur sehr bedingt. Schutzmasken, auch die einfachen blauen, sind knapp, und die Pflicht wird dazu führen, dass sie weggekauft werden. Dann wird es für diejenigen, die sie dringend brauchen noch schwieriger, welche zu organisieren. Risikogruppen und Krankenhäuser zum Beispiel. Außerdem können Masken, wenn mehrmals getragen und falsch abgenommen, schnell zur Keimschleuder werden. Ich finde Desinfektionsspender vor Supermärkten und an den Bustüren viel sinnvoller.
Wie gehen die Patienten mit der Isolation um? Und wie verkraften Sie das?
Sie müssen sich mal vorstellen: Die Patienten liegen nur im Bett, dürfen nicht raus. Dürfen keinen Besuch empfangen. Sie können uns wegen der Masken nicht lächeln sehen. Deshalb fühlen sich viele Patienten sehr einsam, und ich habe auch schon die ein oder andere Träne gesehen. Zum Glück haben wir ein iPad bekommen, mit dem wir dann mit Patienten und Angehörigen skypen können. Die Älteren wissen nicht, wie das geht, aber sie freuen sich trotzdem, ihre Angehörigen zu sehen und zu hören. Ich selbst überstehe das nur, indem ich joggen gehe, mich bewege, den Kopf frei bekomme. In der Natur bin. Und ab und zu Menschen treffe, meistens Kollegen. Ganz ohne geht es nicht.
Was kann die Politik aus dieser Situation lernen? Was würden Sie sich wünschen?
Das Grundproblem ist das System der Krankenhausfinanzierung. Die Kliniken sollen Profit machen, und deshalb werden die Kosten so gering wie möglich gehalten. Das sind natürlich auch unsere Gehälter. Klar, das könnte mehr sein. Viel wichtiger finde ich aber die Bedingungen unserer Arbeit: Wir schwitzen extrem unter den FSP2-Masken, die Arbeit ist viel anstrengender. In den ersten Wochen habe ich es kaum ausgehalten, war platt nach der Arbeit. Kürzere Schichten wären sehr wichtig. Allgemein fände ich aber auch eine digitale Krankenakte sehr wichtig, denn oft kennen die Patienten ihre Vorerkrankungen und Medikamente nicht, und das herauszufinden kostet wertvolle Zeit und erschwert unsere Arbeit.
Was hat sie in den letzten Wochen beeindruckt? Welcher schöne Moment ist Ihnen in Erinnerung geblieben?
Die letzten Woche waren hart, aber eine schöne Anekdote möchte ich mit Ihnen teilen. Eine Patientin, die im Sterben lag war über Tage kaum ansprechbar, lag nur noch da. Eines Morgens, als wir sie pflegten, schien die Sonne in ihr Zimmer, und plötzlich sagte sie laut: „Die Sonne scheint“. Das war einfach so schön, und hat mich wirklich berührt. Allgemein finde ich auch die Solidarität und den Zusammenhalt auf der Corona-Station unter dem Personal toll, das habe ich so noch nicht erlebt. \
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