Von Svenja Stühmeier
Die Fashion-Fans unter uns werden früher oder später mit dem Thema Nachhaltigkeit konfrontiert. Dass möglichst viel Kleidung besitzen und diese möglichst wenig tragen nicht ressourcenschonend ist, liegt auf der Hand. Als Privatperson drei Teile weniger und ab sofort nur noch aus der Öko-Kollektion einer großen Kette zu kaufen, ist allerdings auch noch kein ganzheitlicher Umweltschutz. Da gibt es schließlich noch dieses Greenwashing. Wer weiß schon, ob das einzig Grüne am Kleidungsstück nicht das daran befestigte Papierschildchen ist?
Sie ist undurchsichtig, die Modeindustrie. „Wir bräuchten eine neue Definition des Handels. Die Beziehung zwischen Modelabels, Konsument:innen und Händler:innen muss enger werden. Da gehen aktuell viele Informationen verloren“, sagt Anna Agtas. Zusammen mit Mona Steinhäußer hat sie ein Start-up gegründet, das versucht, genau diese Verbindungen herzustellen. Seit Kurzem ist sie alleinige Geschäftsführerin und Inhaberin, Mona Steinhäußer begleitet das Unternehmen nun projektbasiert.
Der Ansatz der beiden Modedesignerinnen: Mode soll wieder als etwas Wertvolles angesehen werden. „Es steckt eine Geschichte hinter jedem Kleidungsstück. Wer hat es gemacht? Aus welchem Material besteht es? Was hat sich die Designerin dabei gedacht?“, erklärt Anna Agtas. Deswegen wollen sie weg von der linearen Kleidungsproduktion, in der unverkaufte Stücke verbrannt werden und getragene, entsorgte Kleidung nicht recycelt werden kann. In ihrem Laden „Ikigo Studios“ setzt sie ein Kreislaufsystem um – mit dem Ziel, den Kleidungsstücken von kleinen, nachhaltig und fair produzierenden Labels ein möglichst langes Leben zu bescheren.
Für die Kundschaft bedeutet das: Wer etwas neu kaufen möchte, bestellt das Teil vor. Erst nach Ende der Bestellphase geht es in die Produktion. Das wirke zum einen einer Überproduktion entgegen, zum anderen gebe es den Produzent:innen Sicherheit. Da die Kleidung vorher bereits bezahlt wird, kann Anna Agtas auch die Labels im Voraus bezahlen. Das sei normalerweise nicht üblich in der Modeindustrie und stelle gerade für kleine Labels ein Problem dar. „Das Label zahlt die Produktionskosten vorab. Wegen Corona konnten aber viele Händler:innen die Ware nicht annehmen, weswegen die Labels die Kosten nun tragen müssen.“
Sie kooperiert mit kleinen Marken, einige davon sind in Aachen ansässig. Die Zusammenarbeit sei eng, Transparenz spielt eine große Rolle für Anna Agtas. „Wir wollen, dass unsere Kund:innen verstehen, was alles zur Herstellung gehört.“ Das sind zum Beispiel eine ganze Reihe Menschen, die in der Wertschöpfungskette arbeiten. Das ist ein ganzes Jahr, das vom Designprozess bis zum Verkauf im Laden vergeht. Das sind Materialien, die je nach Rohstoff und Zusammensetzung einen ganz unterschiedlichen Ressourcenverbrauch darstellen.
Nach dem Kauf hat die Kundschaft ein lebenslanges Rückgaberecht. Das Kleidungsstück wird dann wenn nötig aufbereitet und anschließend als Second-Hand-Ware für einen günstigeren Preis verkauft. Anna Agtas will auch ein Mietmodell einführen, sodass sich Kund:innen ein Kleidungsstück für einen gewissen Zeitraum ausleihen und so öfter mal was Neues im Kleiderschrank haben. Warum sie sich nicht komplett auf Second Hand ausrichten will? „Die Produktion von neuen Kleidungsstücken ist auf jeden Fall gerechtfertigt“, sagt Anna Agtas. „Mode ist ein Kulturgut und Designer:innen sind Kreative, da steckt ein Handwerk dahinter.“ Sie findet ungerechtfertigt, dass Mode ein oberflächliches Image hat. „Kleidung ist ein Spiegel unserer Zeit. Hinter Designs stecken viele Gedanken.“
Ohne Frage: Das Konzept hat seinen Preis. Fair hergestellte Kleidung ist deutlich teurer als Fast Fashion. Dass das längst nicht für alle finanzierbar ist, steht allerdings außer Frage. Und das weiß Anna Agtas auch. Sie hofft, dass sie mit dem Second-Hand-Modell auch Menschen anspricht, die weniger Geld zur Verfügung haben. Das muss jedoch erst einmal anlaufen. Und klar ist auch: Teurer als der überfüllte, rummelige Second-Hand-Laden, durch den man sich stundenlang wühlen muss, wird „Ikigo“ immer sein.
„Wir wollen aber auch versuchen, einen Bewusstseinswandel in der Kundschaft herbeizuführen.“ Das heißt konkret: Weg von vielen, wahllos gekauften Kleidungsstücken, hin zu bewusstem Einkauf einzelner Teile, Upcycling und Second Hand. „Es wäre doch zum Beispiel schön, wenn für Jugendliche nicht mehr ein Shoppingtrip, sondern ein Upcycling-Workshop das Event mit Freund:innen ist“, überlegt Anna Agtas. Für solche Workshops will die Designerin in Zukunft auch eine Fläche bieten. \
Mikroplastik
35 Prozent des Mikroplastiks in den Weltmeeren stammt von Textilien mit Plastikanteil. Sie sind damit die größte Quelle. Wer auf umweltverträgliche Stoffe achten möchte, kann etwa auf Kleidung aus Tencel umsteigen.
2018 verursachte die Kleidungs- und Schuhindustrie rund vier Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes. Das entspricht 2,1 Milliarden Tonnen oder den Emissionen von Frankreich, Deutschland und Großbritannien zusammen. Bis 2030 werden die CO2-Emissionen der Branche vermutlich auf 2,7 Milliarden Tonnen pro Jahr steigen. (Quelle: „Fashion on Climate“, McKinsey & Company)
In Deutschland kaufen Menschen im Schnitt 60 neue Bekleidungsstücke pro Jahr. 19 Prozent werden so gut wie nie getragen. (Quelle: fairfashionguide.de)
Fast Fashion bedeutet unwürdige Arbeitsbedingungen. Eine Näherin in Bangladesch erhält zwischen 62 und 75 Euro monatlich. Dieser Lohn reicht nicht, um eine Familie zu ernähren. Ein Arbeitstag dauert zehn bis 14 Stunden. (Quelle: Femnet e.V.)
2013 erregte der Gebäudeeinsturz des Rana Plaza in Bangladesch weltweites Aufsehen. Obwohl der Zutritt des Fabrikgebäudes aufgrund von Rissen polizeilich verboten wurde, wurden mehrere tausend Menschen gezwungen, ihre Arbeit aufzunehmen. Unter ihnen: zahlreiche Textilarbeiterinnen. Seitdem findet jährlich im April die Fashion Revolution Week statt, die auf Missstände in der Modeindustrie aufmerksam macht. (Quelle: Tagesschau) \
35 Prozent des Mikroplastiks in den Weltmeeren stammt von Textilien mit Plastikanteil. Sie sind damit die größte Quelle. Wer auf umweltverträgliche Stoffe achten möchte, kann etwa auf Kleidung aus Tencel umsteigen.
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2018 verursachte die Kleidungs- und Schuhindustrie rund vier Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes. Das entspricht 2,1 Milliarden Tonnen oder den Emissionen von Frankreich, Deutschland und Großbritannien zusammen. Bis 2030 werden die CO2-Emissionen der Branche vermutlich auf 2,7 Milliarden Tonnen pro Jahr steigen. (Quelle: „Fashion on Climate“, McKinsey & Company)
In Deutschland kaufen Menschen im Schnitt 60 neue Bekleidungsstücke pro Jahr. 19 Prozent werden so gut wie nie getragen. (Quelle: fairfashionguide.de)
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2013 erregte der Gebäudeeinsturz des Rana Plaza in Bangladesch weltweites Aufsehen. Obwohl der Zutritt des Fabrikgebäudes aufgrund von Rissen polizeilich verboten wurde, wurden mehrere tausend Menschen gezwungen, ihre Arbeit aufzunehmen. Unter ihnen: zahlreiche Textilarbeiterinnen. Seitdem findet jährlich im April die Fashion Revolution Week statt, die auf Missstände in der Modeindustrie aufmerksam macht. (Quelle: Tagesschau)\
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