Dieser Sommertag ist eine nassgraue Angelegenheit, doch das scheint die Stimmung im Werkviertel nicht trüben zu können. Gutgelaunt und geschäftig schwirren die vier Betreiberinnen – oder Werkviertel-Komplizinnen, wie sie sich selbst nennen – durch ihren charmanten Laden. Da ist Buchbinderin Adelheid Sofia Siegeroth, die nicht nur Büchern ein gemustertes Cover gibt, sondern auch individuelle Kisten aus Papier gestaltet. Außerdem Diplom-Textildesignerin Christa De Clarens, die farbenfrohe Filzmützen herstellt und Designerin Grete Sprungala, die unter dem Label Le Chien hochwertige Handtaschen und Portemonnaies aus Leder vertreibt. Die vierte und letzte im Bunde ist Schneiderin Claudia Kerkhoffs, die sich mit ihrem Label Kerkwerk vor allem auf puristische Leinenaccessoires spezialisiert hat, wie etwa Brotbeutel, Küchentücher oder Schürzen.
Lösung: Ladenlokal
Seit Ende Oktober verkaufen die vier Frauen hier in der Kleinmarschierstraße die oben genannten Produkte aus ihren eigenen Werkstätten, aber auch – stetig wechselnde –Arbeiten befreundeter Kunsthandwerker und Kunsthandwerkerinnen aus Deutschland. Aktuell bereichern etwa liebevoll illustrierte Postkarten von Anna Katharina Jansen, vielfältige Keramik von Mats Wrage oder Hannah Hieckes Label Zaand sowie Textilien von Michelle Mohr das Sortiment. Grund für die Eröffnung, war – wie bei so vielem in den letzten Monaten – die Corona-Pandemie: „Wir sind ‚Marktfrauen‘ und normalerweise auf Design- und Kunsthandwerkermärkten im ganzen Land unterwegs. Als diese 2020 alle abgesagt wurden, hatten wir keine Absatzmöglichkeiten mehr. So wurde ein eigenes Ladenlokal, was wir immer als abwegig angesehen haben, plötzlich zu unserer besten Möglichkeit“, erzählt Adelheid Sofia Siegeroth.
Lockdown-Strategie
Trotzdem sollte das ganze eigentlich nur eine Übergangslösung sein – geplant war ein dreimonatiges Pop-up über Weihnachten. Bereits kurz nach dem Start im Herbst war die Resonanz groß, die Presse berichtete und die Neueröffnung sprach sich schnell rum. Doch dann kam der harte Lockdown, berichtet Grete Sprungala: „Unsere ursprüngliche Laufzeit wäre bis zum 31. Januar gewesen. Doch wir mussten bereits am 17. Dezember unsere Türen schließen. Zum Glück konnten wir unsere Sachen erstmal stehen lassen.“ Die neue Strategie lautete: Verschicken, liefern oder durch die Tür reichen. „Alle, die vorbeikamen, haben gesagt ‚Bleibt doch, bleibt doch‘.“ „Teilweise flehend“, werfen die anderen Komplizinnen lachend ein. „Also haben wir mit dem Vermieter gesprochen. Seit zwei Wochen haben wir nun einen neuen Mietvertrag“, erzählt Grete Sprungala weiter.
Zukunftspläne
Und so geht das Experiment Werkviertel in die nächste Runde. Adelheid Sofia Siegeroth schaut optimistisch in die Zukunft: „Wir müssen nun natürlich schauen, ob das Konzept auch nach Corona noch trägt. Es gab auch schon andere Kunsthandwerkerläden in Aachen… Ich glaube der Unterschied ist jedoch, dass wir eine Produzentengalerie sind, dass wir wirklich drinstehen. Wir handeln nicht mit Kunstgewerbe, wir sind das Kunstgewerbe. Und haben einfach nur Freunde dazu genommen.“ Claudia Kerkhoffs ergänzt: „Wir haben einen Bezug zu allen unseren Gastausstellern. Und das können wir den Kunden auch vermitteln. Das kommt gut an.“ Und es gibt noch weitere Ideen: Im September etwa planen die Werkviertel-Komplizinnen die Teilnahme an einer Kunsthandwerkerroute durch Aachen. Positive Stimmung und positives Echo sind hier eigentlich bereits vorprogrammiert. \ lib
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