Von Simon Wirtz
Von „man kann dort parken“ über „okay“ bis hin zu „exzellent, besitzt Strahlkraft“ gehen die Meinungen in den Google-Nutzerbewertungen weit auseinander. Die insgesamt 32 Rezensenten haben im Durchschnitt 3,9 von 5 möglichen Sternen vergeben. Gut, aber mit Luft nach oben.
Wie würde wohl das Rating ausfallen, wenn hier keine Autos mehr stünden? Die Rede ist von dem 115 Meter langen und insgesamt 6.000 Quadratmeter großen Parkplatz zwischen Schinkelstraße und Wüllnerstraße, der sich in Besitz der Universität befindet – der Talbot Parkplatz. Inmitten des RWTH-Campus, nur wenige Meter von Super C und Audimax entfernt, finden hier 250 Autos von RWTH-Mitarbeitern Platz – denn nur die erhalten hier Parkerlaubnis. Seit Jahrzehnten wird auf dem mittlerweile nach der Corona-Zeit wieder fast lückenlos besetzten Platz geparkt, doch damit könnte bald Schluss sein – zumindest für eine Zeit.
„Mehr Lebensqualität“
Denn einige wünschen sich, diese große Fläche zumindest temporär anders nutzen zu können. Zu ihnen gehört die Diplom-Designerin Patricia Yasmine Graf, die in ähnlichen Stadtentwicklungsprojekten wie bei der Umgestaltung des Parkhauses am Büchel und der Mefferdatisstraße schon mehrfach am Werk war. An der Seite von Studierenden der Akademie für Handwerksdesign Gut Rosenberg unter Leitung von Dr. Petronella Prottung und des RWTH-Lehrstuhls und Instituts für Städtebau unter Leitung von Prof. Christa Reicher steht nun das nächste Großprojekt an: Die Autos auf dem Talbot Parkplatz könnten schon im nächsten Sommer einer grünen Wiese mit Sitzbänken und Tischen weichen, wenn es nach der Initiative geht. „Wir wünschen uns mehr Lebensqualität im städtischen Raum“, erklärt Graf die gemeinsam entwickelte Idee. Entsprungen ist der Gedanke, den Talbot Parkplatz umzugestalten, in einem Semesterprojekt im Sommer 2020, an dem die Akademie für Handwerksdesign wie auch die RWTH, Graf und ihre Kollegin Lies-Marie Hoffmann beteiligt waren. „Dort ist dann auch der Stegreifentwurf entstanden, den der Architekturstudent Lars König angefertigt hat“, so Dr. Prottung.
Unter den Top 25
Der Entwurf zeigt, in welche Richtung das Projekt gehen könnte – final sind die Pläne noch nicht: „Wir können uns eine freie, grüne Mitte vorstellen, auf der man Platz nehmen kann. Dazu am Rand ein Ort für die Gemeinschaft, wo wir Sitzbänke und Tische aufstellen. Große rote Elemente sollen die Menschen einladen, auf den doch etwas versteckten Talbot-Platz zu finden“, erklärt Graf. Und die Abgeschlossenheit, die der von meterhohen Universitätsgebäuden umgebene Parkplatz mit sich bringt, vermittle ein Gefühl der Sicherheit, so Graf. An diesem Plan würde die Gruppe gerne weiter tüfteln – und hat sich deshalb beim Wettbewerb „Zukunft Stadtraum“ des Heimatministeriums von Nordrhein-Westfalen beworben und in der ersten Phase gegen zahlreiche andere Bewerber durchgesetzt. Von 45 Einreichungen aus dem gesamten Bundesland hat der Aachener Beitrag die Top 25 erreicht – und wurde im Juni mit 3.000 Euro von Heimatministerin Ina Scharrenbach in Düsseldorf ausgezeichnet. „Der nächste Schritt ist nun, ins Gespräch mit allen Betroffenen zu kommen. Wir möchten, dass am Ende alle zufrieden sind und den neu gestalteten Platz genießen können. Wenn wir die anschließende zweite Projektphase gewinnen, können wir das Projekt aus finanzieller Sicht umsetzen, denn dann sichert das Ministerium zu, bis zu 90 Prozent der Kosten zu übernehmen“, so Prof. Reicher. Konkret steht ein Werkstatttag im Oktober in Düsseldorf an, wo die Gruppe die Möglichkeit haben wird, den Entwurf weiter auszuarbeiten.
Schlechte Kommunikation
Doch so interessant und vielversprechend die Idee auch ist, aus dem Parkplatz einen Veranstaltungsort zu machen – ganz ohne Opfer kann das nicht gelingen. Das ist auch Graf und ihren Mitstreitern bewusst: „Wir müssen in den Dialog gehen mit allen, die davon betroffen sind. Und dazu gehört auch der Personalrat der RWTH, den wir noch nicht ganz überzeugen konnten.“
Uschi Plum ist die Vorsitzende von einem der beiden Personalräte an der RWTH – neben dem durch Plum vertretenen Personalrat für Technik und Verwaltung gibt es einen weiteren Personalrat, der die Wissenschaftler vertritt. Gerne nimmt sie zu diesem nicht ganz einfachen Thema Stellung. „Was uns stört, ist die Tatsache, dass wir nicht eingebunden worden“, so Plum. Hört man ihr zu, so stellt sich schnell der Eindruck ein, dass es ihr und ihren Mitstreitern nicht um den Lieblingsparkplatz wenige Schritte neben der Arbeitsstelle geht – aus ihrer Sicht wären die Folgen weitaus komplexer. „Auf dem Talbot Parkplatz gibt es auch Schwerbehinderten- und Frauenparkplätze, die ersetzt werden müssten. Da geht es nicht um Bequemlichkeit“. Auch stört sie, dass die Gruppe jüngst Bilder eines halb verwaisten Talbot Parkplatzes online gestellt hat, die den Eindruck erwecken könnten, dass der Parkplatz nicht mehr gebraucht werde: „Das entspricht nicht mehr der Realität. So sah der Parkplatz während der Corona-Zeit aus, aber jetzt kommen die Mitarbeiter zunehmend aus dem Homeoffice zurück, und der Parkplatz wird wieder voller. Vor Corona war der bis auf den letzten Platz besetzt.“ Tatsächlich ist der Parkplatz bei einem Besuch am Vormittag Mitte September zu etwa 95 Prozent belegt. Die geeignetste Ausweichmöglichkeit ist laut Plum ein Parkhaus in der Professor-Pirlet-Straße – immerhin einen knappen Kilometer und somit etwa 11 Fußminuten entfernt. Königs Entwurf allerdings sieht vor, dass zumindest die Schwerbehindertenparkplätze erhalten bleiben. Offensichtlich hadert es hier auch an der Kommunikation zwischen der Kreativen-Initiative und den Personalräten.
Lösungen soll nun ein runder Tisch bringen, zu dem RWTH-Rektor Prof. Dr. Ulrich Rüdiger eingeladen hatte. Die Kreativen wie auch Plum und ihre Mitglieder freuen sich auf das Gespräch. „Wir sind gespannt darauf, wie die Initiatoren das Parkplatzproblem lösen möchten. Wir brauchen eine praktikable Lösung für unsere Mitarbeiter“, so Plum. Patricia Graf schwebt da schon was vor: „Von Shuttleservice bis zu einer zweiten Ebene auf dem Platz gibt es viele Lösungen“.
Am Rande
Laut Landespersonalvertretungsgesetz NRW haben die beiden Personalräte in allen Fragen, die das Parken betreffen ein Mitbestimmungsrecht. Deshalb liegt es an der Initiative, die den Parkplatz umgestalten möchte, die Räte zu überzeugen. \
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