Von Julie Vandegaar
Für manche sind sie schicke Studentenwohnungen, für andere funktionale Kleinapartments. Doch für Investoren sind sie vor allem eins: ein lukratives Geschäftsmodell. In deutschen Großstädten werden immer mehr Mikroapartments gebaut, sie sollen die Lösung für die Wohnungsknappheit sein. Meist zwischen 15 und 30 Quadratmeter klein, sind sie voll- oder zumindest teilmöbliert. Auf kleinster Fläche wird hier geschlafen, geduscht und gekocht.
Auch die Stadt Aachen bleibt vom neusten Bautrend nicht verschont. Nach Angaben der Stadt Aachen sind derzeit 2.900 solcher Apartments in Planung oder werden derzeit aktiv gebaut. Das sind mittlerweile weit mehr als 40 Prozent des gesamt geplanten Bauvorhabens. Die Zielgruppe der Bauherren sind vor allem junge Menschen Mitte zwanzig oder anders formuliert Studierende, die es nicht stört, auf wenigen Quadratmetern mit einer vorgefertigten Einrichtung zu leben.
Da die Zahl der Studierenden an den Aachener Hochschulen weiterhin steigt, bleibt dementsprechend auch die Nachfrage nach Wohnungen, insbesondere für Ein-Personen-Haushalte weiterhin hoch. Wie aus dem Wohnungsmarktbericht 2021 hervorgeht, werden die Mikroapartments als reales Risiko wahrgenommen. Befürchtet werden weitere Preissteigerungen auf dem Wohnungsmarkt, die die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum noch schwieriger gestalten wird. Davon seien in erster Linie Studierende und Menschen mit niedrigen Einkommen betroffen. Aber auch für Familien wird es zunehmend schwierig, eine größere und bezahlbare Unterkunft zu finden.
Als Maxime (Name geändert), Erasmus-Student aus Belgien, sich zum ersten Mal für eine Wohnung in Aachen umgesehen hat, wusste er bereits, dass er zwei Optionen hat: Entweder investiert er viel Zeit in die Wohnungssuche oder er ist bereit, mehr Miete zu zahlen. Da ihm die Lage und das soziale Umfeld weitaus wichtiger waren, hat sich der Belgier für ein Mikroapartment im „The Fizz“ entschieden.
In dem Gebäude an der Kasernenstraße befinden sich 165 vollmöblierte Studentenapartments. Hier zahlt man in der preiswertesten Kategorie „Single Studio“ für knapp 19 Quadratmeter, 539 Euro pro Monat. Bei der „XX-Large“ Wohnung berechnet „The Fizz“ für 32 Quadratmeter wiederum eine Monatsmiete von 1067 Euro. Die hohen Preise verstehen sich „all-inclusive“, mit einem eigenen Bad, einer Küchenzeile, einem Bett und anderen Möbeln. Inbegriffen sind aber auch die Nebenkosten wie Strom, Wasser oder Internet.
In dem Rundum-Sorglos-Paket wird aber nicht nur mit der eigenen Wohnung gelockt, versprochen werden auch eine Reihe an Aktivitäten, die Nutzung von Gemeinschaftsräumen oder die Paketannahmen bei Abwesenheit. Dass Maxime sich nur um die Zahlung der Miete kümmern muss, kam ihm ganz gelegen. Wenn man die Sprache nicht perfekt beherrscht und neu in einer Stadt ist, sei es doch eine enorme Entlastung, nicht auch noch einen Internetanbieter suchen zu müssen. „Außerdem liegt das Gebäude besonders zentral und ich habe eine Bushaltestelle quasi direkt vor der Haustüre“, erzählt der Student. „Und in Belgien seien die Mietpreise vergleichsweise meist noch höher.“
Anders als wahrscheinlich die meisten Studierenden hat Maxime ein Stipendium für sein Auslandsjahr erhalten. Damit kann er die Unkosten fast vollständig decken. Doch auch er ist der Meinung, dass die Wohnungen viel zu teuer sind. „Ohne Unterstützung kann sich den Luxus wohl kaum ein Studierender leisten.“
Die Zunahme solcher Kleinstapartments verändert nicht nur das Stadtbild, sondern auch die soziale Diversität einer Stadt. Rolf Frankenberger, Leiter des städtischen Fachbereichs Wohnen, Soziales und Integration, sucht bereits seit Längerem nach dem richtigen Mittel, gegen die Flut an Bauvorhaben vorgehen zu können. „Die Mikroapartments mit Rundum-Sorglos-Paket sind ein Investoren-Modell, das dringend besser gesteuert werden muss“, mahnt Frankenberger. Wegen der kürzeren Mietzeiten können die Mieten häufiger als bei herkömmlichen Wohnungen erhöht werden. Mit dem Trend werden insbesondere Menschen bestraft, die ohnehin nicht viel besitzen. Unter anderem mit planungsrechtlichen Mittel soll nun aktiv gegen das „Aida-Konzept“ vorgegangen werden, indem beispielsweise Wohnungsmix vertraglich vereinbart werden. \
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Der Boom der Mikroapartments birgt auch Risiken. Neben der hohen Mietpreisen kann auch die Bauweise schnell zum Verhängnis werden. Seit dem Beginn der Pandemie 2020 sind nämlich weniger Studierende nach Aachen gezogen und auch die digitale Lehre könnte die Nachfrage beeinträchtigen. Die Kleinstwohnungen eignen sich allerdings nicht wirklich für andere Zielgruppen. Alles auf eine Karte zu setzen könnte schließlich leere Immobilien zur Folge haben. \
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