Von Katrin Krause
Wenn Janek Stahl das „Quiz mit Hut“ moderiert, treffen sich Quizbegeisterte jeder Alters- und Berufsgruppe. In Teams treten sie gegeneinander an und testen sich in Allgemein- und Spezialwissen. Fragen zum aktuellen Zeitgeschehen, zum Dreißigjährigen Krieg oder zum Weltkulturerbe stehen gleichberechtigt neben Fragen zum Dschungelcamp, zur ostasiatischen Küche, zu Comichelden wie Tim und Struppi oder Filmen mit Ben Stiller.
Auf die Spezialkategorien können die Quizzer sich sogar vorbereiten; denn einen Tag vor dem Quiz, kann man auf der Facebookseite vom „Quiz mit Hut“ einen Hinweis in Form eines Bilderrätsels finden. Durch Extrakategorien wie Musik-, oder Wortwitzrunden bleibt das Quiz abwechslungsreich. Deswegen handelt es sich bei den meisten Teilnehmern auch um Wiederholungstäter. Ganze Teams wie „die Öcher Einhörner“, „Sokratels weiß auch nicht alles“, „Quiz me if you can“ oder „Hut zur Lücke“ quizzen regelmäßig. Bei den Teamnamen handelt es sich häufig um Wortspiele mit den Begriffen „Quiz“, „Hut“, oder „Els“ – dem (von den einen) geliebten und (von den anderen) gefürchteten Kräuterbitter aus Monschau, der beim Quiz mit Hut als Belohnungs- und Strafschnaps eingesetzt wird. Die Neigung zu Wortspielen zeigt sich auch auf den schwarzen Zylindern, die das beste und das schlechteste Team während des Quiz tragen. Auf den Hüten kleben weiße Filzbuchstaben: Vorhut und Nachhut. Auf Janek Stahls Hut ist eine Steampunkbrille befestigt. Sein Hut trägt die Filzaufschrift Quizmaster.
Der Weg zum Ziel
Stahl ist 32 Jahre alt. Mal spricht er mit der Stimme eines patzigen Radiomoderators, mal mit der eines wohlwollenden Lehrers. Ein Aachener Eulenspiegel, vor dem man sich nicht schämen braucht, wenn man nicht weiß, wie viele Männer schon auf dem Mond waren. Er moderiert das „Quiz mit Hut“ seit April 2017. Der Weg dahin war nicht leicht: Nach seinem Studium der Soziologie und Politik in Aachen fand der Geisteswissenschaftler keinen passenden Beruf. Lehrer hätte er werden sollen, sagten Freunde und Familie, und dass er ein Typ dafür sei: einer nämlich, der gut erklären und moderieren könne. Doch damals hatte Janek keine Lust darauf. Heute findet er, dass sie vielleicht Recht hatten.
Damals war er selbst noch regelmäßig Gast bei einem Quiz im Café Einstein am Lindenplatz. Durch diese Besuche sei er überhaupt erst auf die Idee gekommen, ein eigenes Quiz zu erstellen, sagt er. Der damalige Moderator erzählte, dass das Café Einstein das Quiz von einem Gast bekäme, der diese für verschiedene Cafés und Kneipen in der Gegend schreibe und verkaufe. Das brachte Janek auf die Idee, das Schreiben und Verkaufen von gut recherchierten und liebevoll aufbereiteten Rätseln größer aufzuziehen. Die Recherche und den vorbereitenden Aufwand könne man den freiwillig Moderierenden doch abnehmen, dachte Janek, und dass dies den Kneipen doch etwas wert sein müsse. Deswegen nahm er kurz nach seinem Studium rund 1.000 Euro in die Hand, schrieb ungefähr 600 Kneipen in ganz Deutschland an, schickte ein eigens erstelltes Probequiz und machte Werbung. Trotzdem scheiterte dieses Unterfangen. Von all den angeschriebenen Kneipen bekam er nur eine einzige Rückfrage. Er verkaufte kein einziges Quiz. So fand Janek heraus, dass sich bereits eine Methode etabliert hatte: Das Erstellen und Moderieren der Kneipenquizze übernehmen nämlich meistens genügsame Stammgäste der jeweiligen Kneipe. Als Entlohnung für ihren Arbeitsaufwand reichen ihnen oft ein paar Gratisbier. So erfuhr Janek, dass die Arbeit als Rätselhersteller für ihn eben nicht als rein schriftstellerische Tätigkeit funktionieren würde. Diese Arbeit brauchte Moderation. Diese Arbeit forderte Persönlichkeit. Die Berufsbezeichnung: Rätselhersteller.
Erste Erfolge
Bald bot Jörg Polzin, unter anderem der Besitzer des Kiez Kinis, Janek an, sein Quiz in der Kneipe auf der Promenadenstraße zu testen. Dort sah Janek sich zum ersten Mal mit dem Teil der Tätigkeit konfrontiert, den er zu Beginn eigentlich vermeiden wollte, der ihm sogar Angst machte: vor einer größeren Gruppe Menschen zu sprechen. Dass das Publikum aber zunächst hauptsächlich aus seinen Freunden bestand, erleichterte ihm das freie Sprechen und half ihm dabei, er selbst zu bleiben. Die Freunde, so dachte Janek, kämen nur aus Gründen der Solidarität zu seinem Quiz und vielleicht war das zu Beginn auch so. Doch sie kamen immer wieder und brachten ihrerseits Freunde mit, die auch immer wieder kamen. So wuchs das Quiz schleichend und wurde zum Geheimtipp. Die Quizbegeisterten warteten bald schon eine halbe Stunde vor Beginn vor der verschlossenen Tür des Kiez Kinis, um einen der beliebten, aber limitierten Plätze zu ergattern. Das Quiz wurde größer und bekannter. Die „Liga mit Hut“ fand bald auch in anderen Cafés und Kneipen statt: im Sturmfrei, im Zuhause, in der Bar Cantona. Auf natürliche Weise breitete sich das „Quiz mit Hut“ über die ganze Stadt aus. Janek bot sein Quiz auch privat an: für Hochzeiten oder Firmenfeiern. Im Laufe dieser Entwicklungen wurde das Sprechen vor fremden Menschen zu Janeks Stärke. Er interpretierte den Beruf nicht mehr als Schreibtischtätigkeit, sondern als kommunikativen Akt. Der Beruf des Rätselherstellers wurde für ihn zu einem sehr Lebendigen. Als Teilnehmer spürt man dies in allen Komponenten. Das „Quiz mit Hut“ lebt von kauzigen Eigenheiten, liebevollen Details, Fehlern, belebendem Wettkampf und schrulligen Scherzen.
„Und wer weiß, wo das Quiz noch hingewachsen wäre“, träumt Janek, während er davon erzählt, wie das Quiz mit der Zeit immer größer wurde. Doch dann kam Corona. Weil ein Kneipenquiz von der Anwesenheit der Teilnehmer lebt, traf die Pandemie das „Quiz mit Hut“ hart. Das Quiz konnte auf unbestimmte Zeit nicht mehr stattfinden. Janek verdiente nichts mehr. Auch die Privatauftritte fielen durch die Krise aus. Bisher hatte der Quizmaster und gebürtige Aachener immer nach dem Motto gelebt „et hätt noch immer jot jejange“, wenn der Verdienst auch in manchen Monaten knapper war, als in anderen. Doch während der Pandemie sah er seine Rücklagen schrumpfen, musste Selbstständigenhilfen und Hartz 4 beantragen. Er sah sich von ernsten Existenzängsten bedroht.
Neue Wege
Als die Pandemie kein absehbares Ende fand, orientierte Janek sich um. Im September letzten Jahres ließ er sich zum SCRUM-Master, zum Projekt- und Social Media Manager fortbilden und machte ein Praktikum bei einem lokal ansässigen IT-Dienstleister. Seit Februar diesen Jahres arbeitet er dort auch als fester Mitarbeiter. Auch in diesem Beruf geht es um den Informationsfluss, auch in diesem Beruf hat Janek Stahl eine moderierende Position inne und er ist froh über die festen Strukturen und das feste Gehalt, die dieser Job ihm bietet. Aber vor allem ist er froh über die Sicherheit, die die neue Stelle mit sich brachte und die er nach zwei Jahren pandemisch bedingter Unberechenbarkeit dringend brauchte.
Ein Zurückkommen zu seinem Freiberufler Status als Rätselhersteller sieht Janek nicht. Mit zu vielen Unsicherheiten sei dies belegt. „Aber es hat Spaß gemacht“, sagt Janek. „Richtig viel Spaß gemacht“, ergänzt er und guckt kurz weit weg, wie einer, den man in einem gefühlvollen Moment erwischt hat. Janek Stahl wird das „Quiz mit Hut“ weiter moderieren, jetzt aber als Hobby, nicht mehr als Beruf. Einmal im Monat findet das „Quiz mit Hut“ noch im Zuhause statt. So lange, bis Janek „zu alt dafür“ ist. „Zu alt dafür“ sei man aber erst, wenn man überhaupt nicht mehr mitkommt mit den neuen Trends und das sei noch lange nicht der Fall. Bis dahin freut Janek Stahl sich jeden Monat auf neue Gesichter, kreative Teamnamen, Wortspiele und spannende Kopf-an-Kopf-Rennen beim „Quiz mit Hut“.
Gestern heute
Das Kneipenquiz stammt ursprünglich aus England. Deswegen fand das Kneipenquiz auch in Deutschland zunächst vermehrt in Pubs statt. Seit längerem greifen aber auch Kneipen und Cafés den geselligen Trend auf. Das „Quiz mit Hut“ findet in Aachen einmal im Monat im Zuhause statt. Eine Anmeldung auf der Website des Zuhauses ist zur Zeit noch erforderlich. \
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