Es ist nicht so, dass Till-Holger Borchert schon ein konkretes Projekt hätte, das er bei seiner Vorstellung als neuer Direktor des Suermondt-Ludwig-Museums aus dem Köcher hätte ziehen können. Und doch macht der 55-jährige gebürtige Hamburger bei seinem Amtsantritt an der neuen Wirkungsstätte in Aachen recht unmissverständlich klar, wo seine Ambitionen liegen: Er sei weniger interessiert an großen monografischen Ausstellungen und wolle seinen Schwerpunkt auf thematische Schauen legen – mit der hauseigenen Sammlung als Ausgangspunkt.
Wer möchte, kann darin einen Seitenhieb auf Borcherts Vorgänger Peter van den Brink erkennen, der sich mit eben genau dem, einer großen monografischen Ausstellung zu Albrecht Dürer, in den Ruhestand verabschiedet hatte. Die Schau war im vergangenen Jahr das kulturelle Highlight des Sommers in der Region mit herausragenden Kritiken in der überregionalen, ja sogar der internationalen Presse und beim Fachpublikum sowie einem außerordentlich großen Zuschauerzuspruch – eine Ausstellung mit Strahlkraft weit über die Stadtgrenzen hinaus, und das in Pandemie-Zeiten.
Jüngere Zielgruppen anlocken
Das alles bestreitet Borchert auch gar nicht, der als Spezialist für die niederländische Malerei des 14. und 15. Jahrhunderts auch an der Realisierung der Dürer-Schau beteiligt war. Dennoch stellt er fest: „Peter van den Brink hat Ausstellungen konzipiert, die am Rande der räumlichen und personellen Kapazitäten des Hauses stattgefunden haben.“ Und möglicherweise auch am Rande der finanziellen Kapazitäten: „Man muss sehen, was nach dem Kassensturz übrigbleibt“, sagt der neue Direktor.
Alles zu groß, alles zu viel? International sei das Haus zwar gut positioniert, sagt Borchert. Ihm gehe es aber darum, das Suermondt-Ludwig-Museum in der Stadt und in der Region wieder sichtbarer zu machen, das hiesige Publikum auch öfters ins Haus zu locken. Und das Museum auch für jüngere Zielgruppen bis hin zu Kindern und Jugendlichen interessant zu machen.
Vor diesem Hintergrund sei die Neuaufstellung der ständigen Sammlung von zentraler Bedeutung. „Die Arbeit von Michael Rief und dem gesamten Team hat mich sehr, sehr beeindruckt“, lobte Borchert seine neuen Kollegen. Rief, Kustos der städtischen Kunstsammlungen und als stellvertretender Direktor zuletzt auch kommissarischer Leiter des Museums, hat die Präsentation der Sammlung federführend überarbeitet. Das Ergebnis sei innovativ, meint Borchert. Damit müsse sich das Haus nicht hinter internationalen Spitzenmuseen verstecken.
Borchert war ab 2014 als Generaldirektor der Städtischen Museen in Brügge tätig, zuvor war er von 2002 bis 2013 Kurator und schließlich Direktor des Groenigemuseums in Brügge. Zwischen 2000 und 2002 lehrte Borchert Kunstgeschichte an der RWTH Aachen unter dem damaligen Lehrstuhlinhaber Andreas Beyer. Der heutige Lehrstuhlinhaber Alexander Markschies gehörte zu seinen Kommilitonen an der Universität Bonn. Es gibt also durchaus Beziehungen nach Aachen, übrigens auch zu seinem Stellvertreter Rief, den Borchert bereits seit 20 Jahren kennt.
Den Teamgedanken stellt der neue Direktor mehrfach in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Er wolle hören, was seine Kolleginnen und Kollegen für Vorstellungen haben, gemeinsam Ideen entwickeln. Gleiches gelte im Übrigen für die Zusammenarbeit mit den anderen großen Häusern der Stadt, dem Centre Charlemagne und dem Ludwig Forum.
Der nächste Höhepunkt im Haus dürfte der letzte noch fehlende Abschnitt der Neupräsentation zum Mittelalter werden. Die Eröffnung soll im Oktober stattfinden. Mit dem neuen Programm werden Borchert und sein Team dann im neuen Jahr starten. \ chr
Webseite Suermondt-Ludwig-Forum
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