Eine Art übergroße Vitrine soll das Gebäude an der Theaterstraße 92 sein. Es soll neugierig machen, schon ein wenig auf den ersten Blick erklären, und vor allem die Leute ansprechen, die einfach daran vorbeigehen. Typischen Vitrineninhalt – Porzellanfiguren, Miniaturautos, Erbstücke – bekommen sie allerdings nicht zu sehen. „Wir wollen in einem erweiterten Campus im Herzen der Stadt arbeiten“, erklärt die kuratorische Leiterin Dr. Adria Daraban die Intention hinter dem sogenannten Pop-Up-Campus. Stattdessen in den Erdgeschoss-Schaufenstern zu sehen: ein Mini-Manifest zum Thema „Save the Material“, wie Adria Daraban sagt. Baumaterialien, Lehm und eine Antwort auf das „Warum?“.
„Eine klimagerechte und ressourcenleichte Welt geht nur mit Bauwende jetzt!“, steht als Quintessenz auf dem Schild. Die Studierenden und wissenschaftlichen Mitarbeitenden, die in der ehemaligen Bausparkasse an ihren Projekten arbeiten und diese ab Ende August auch dort ausstellen, wollen einen Beitrag zum Ziel klimaneutraler Gebäudebestand bis 2045 leisten. „Das Bauen kann sich ändern und kann etwas ändern“, steht ebenfalls auf der prägnanten Erklärung zum Pop-Up-Campus.
Der Ort ist Ausstellungsraum für Projekte und Workshops von Universitäten und Hochschulen aus ganz Deutschland. Das Projekt „Zukunft Bau Pop-Up Campus“ wurde vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung initiiert. Gastgebende Hochschule des Campus 2022 ist die RWTH Aachen zusammen mit der Stadt Aachen.
In dem Gebäude finden zum einen Seminare statt. Zum anderen sind das Erdgeschoss, die zweite und die fünfte Etage aber auch Experimentierfeld für Studierende und wissenschaftliche Mitarbeitende, die größtenteils aus dem Bereich Architektur stammen. Unter dem Motto „Save the Planet, Save the Material“ arbeiten sie dort an zukunftsträchtigen und ressourcensparenden Innovationen im Bereich Bau. Im zweiten Stockwerk etwa befinden sich gerade Klimalabore, in denen Studierende aus Kassel Luftmessung betreiben. Andere beschäftigen sich mit Wandelementen aus Holz oder Weidenflechten und auch die stillgelegte Unterführung an der Kreuzung Peterstraße/Kurhausstraße, genannt Stadtsaal, ist in das Projekt einbezogen.
Die Studierenden legen in ihren Arbeiten insbesondere einen Fokus darauf, bereits Vorhandenes zu nutzen und somit der Materialknappheit entgegenzuwirken. Die Büromöbel, die noch in den Räumen der ehemaligen Bausparkasse standen, hat ein Team etwa in ihre Einzelteile zerlegt und neue Möbel daraus gebaut. An den grauen Platten befinden sich jetzt bunte Details, alte Lan-Kabel sind kurzerhand Teil des Designs geworden.
„Gemeinsam mit unseren Studierenden setzen wir uns intensiv mit der Frage auseinander, wie die Ausstellung auch zur Struktur und zum Charakter des Hauses passt“, sagt Adria Daraban. Das Haus dient also nicht nur als Ausstellungsort, sondern ist selbst Demonstrationsobjekt. Die fensterreiche und schnell aufgewärmte ehemalige Kantine wird wahrscheinlich eine Renaissance als Gewächshaus erleben. Die Wände, die sich vorher durch das Erdgeschoss gezogen und Büros geformt haben, wurden großzügig rausgerissen, dort ist nun eine große Ausstellungs- und Veranstaltungsfläche entstanden.
Der Projektcampus wird noch bis zum 9. September bespielt werden. „Die Zwischennutzung des Gebäudes ist temporär. Dieser Ort verschwindet dann wieder. Aber er wird dazu anregen, mit dem Gebäude Leerstand in der Stadt kreativ und nachhaltig umzugehen“, sagt Adria Daraban. Bis dahin ist sie gespannt, ob der Hopfen an der Hausfassade noch bis in den fünften Stock rankt.
Vom 29. August bis zum 9. September finden die Campuswochen statt. In diesem Zeitraum werden alle Projekte in Aachen ausgestellt. Der Campus ist dann für alle Interessierten geöffnet.
Von Svenja Stühmeier
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