Unter der Woche läuft die Abfüll- und Etikettieranlage auf Hochtouren, um die Erzeugnisse der Brennerei in die verschiedenen Flaschen zu füllen und mit den entsprechenden Labels zu versehen. Am Sonntag aber ist es ruhig in der Spitalstraße in Raeren. Dann empfängt Bernard Zacharias die Gäste für eine Führung durch die neue gläserne Manufaktur. Wer könnte besser Auskunft geben über die Geschichte – und Zukunft – der ältesten Brennerei in Belgien als der Chef? Rund 70 verschiedene Produkte werden hier hergestellt: Gin, Vodka, Vermouth, Rum, Limoncello, Pékèt, Fruchtaperitifs und Whisky. Der Lambertus – Single Grain Whisky „made in Raeren“ sorgte bei seiner Vorstellung auf der Horeca Expo 2008 für großes Aufsehen. Belgischer Whisky war damals ein absolutes Novum. Heute weiß Zacharias, der sich seit mehr als 27 Jahren mit der Herstellung von Whisky beschäftigt, dass er goldrichtig lag. Genau wie bei seiner Begeisterung für Rum, den er für ebenso zukunftsträchtig hält wie das Bio-Sortiment der 1836 gegründeten Brennerei. Neben Gin und Vodka gibt es inzwischen auch einen köstlichen Limoncello in Bio-Qualität. Beim Rundgang erklärt Zacharias die verschiedenen Schritte des Brennens bis aus gemahlenem Getreide eine Spirituose wird. Unzählige Plomben dokumentieren die strengen Zollkontrollen, schließlich wird in einer Destillerie genau hingeschaut: In Belgien liegt die Steuer für 38-prozentigen Alkohol bei rund acht Euro, fast doppelt so hoch wie in Deutschland. Nichtsdestotrotz exportiert Radermacher weltweit, beispielsweise nach Australien, Japan und Kanada. Neben Produkten der eigenen Marken erwirtschaftet die Brennerei etwa ein Viertel ihres Umsatzes mit Produkten für andere Marken wie Panda Gin oder LièGin. Dabei ist Nachhaltigkeit ein großes Thema – sowohl beim Neubau, wo rund 20 Prozent der Investition in umweltfreundliche Ausstattung gingen, wie auch bei der Produktion. „Bei der Destillation verbraucht eine Brennerei viel Wasser und Strom, sodass wir direkt in ökologische Optimierung investiert und Solarzellen auf dem Dach sowie eine Wärmerückgewinnungsanlage installiert haben“, sagt Zacharias und führt fort, dass auch die – entalkoholisierten – Produktionsreste weitestgehend verwertet werden. Während ein Teil der Reststoffe als Futter an lokale Bauernhöfe geht, verwertet die Bäckerei Kockartz Reste der Produktion des Lambertus-Whiskys für ein spezielles Lambertusbrot. Dass man bei Radermacher mit Tradition in die Zukunft geht, beweist auch die Unterstützung von Tochter Line, die das Familienunternehmen dann in sechster Generation übernehmen wird. Für die Küche des neuen „Restaurant 1836“ zeichnet Katy-Anne Zacharias verantwortlich, am Wochenende bietet sie eine Mischung aus traditioneller und innovativer Küche mit saisonalen Produkten, bevorzugt von lokalen Erzeugern. Der Gastraum ist in seiner klaren Gestaltung mit der großen lichtgebenden Fensterfront und den gut gefüllten Flaschenregalen hinter der Theke schon ein Highlight, der Clou ist aber der Blick in den Fasskeller. Durch den gläsernen Fußboden schaut man direkt in die Schatzkammer der Brennerei. Vor dem Fasslager im Untergeschoss erklärt Bernard Zacharias, was die Lagerung der Spirituosen im Holzfass ausmacht. „Wir spielen hier mit dem Geschmack“, sagt er und erklärt, wie die zugekauften gebrauchten Bourbonfässer ausgebrannt werden, um so bei der mitunter jahrelangen Lagerung die Aromen von Vanille, Schokolade oder Kaffee in den Spirituosen zu erzeugen. Die „abgenutzten“ Whisky- oder Rumfässer sind wiederum beliebt bei Brauern, um Barrel Aged-Biere herzustellen. So findet sich auf der Karte im Restaurant auch ein im 1836-Fass gereiftes Bier der Brasserie Belgium Peak Beer, das am höchsten Punkt Belgiens hergestellt wird. Dass sich auf der Karte Weine aus Belgien und Korsika finden, hat mit der Liebe der Familie Zacharias zur Mittelmeerinsel zu tun. Bis sich Bernard Zacharias dort zur Ruhe setzt, wird sicherlich noch einige Zeit vergehen, denn neben Whisky widmet er sich mit großer Freude der Herstellung von Rum – und da sieht er noch viel Entwicklungspotenzial. Man darf also weiterhin auf Neuerung aus der neuen alten Destillerie in Raeren gespannt sein.
Info: Führungen unter der Woche (FR, DE, NL), einschließlich der Verkostung von zwei Probiergläschen nach Wahl erfolgen nach vorheriger Anmeldung. Führungen auf Deutsch finden samstags um 15.30 Uhr und sonntags um 10.30 Uhr statt. Preise und weitere Infos auf der Website.
Destillerie Radermacher Restaurant und Shop Spitalstraße 50, 4730 Raeren
Destillerie Radermacher
Führungen bei der Destillerie Radermacher
Made in Ostbelgien
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