Zwischen den Backsteinwänden der Ruine des Tuchwerks entfaltet sich ein surreales Theatererlebnis: absurd und lustig, modern und doch traditionell. Die Grundspannung des Stückes ist jederzeit greifbar und die Sprache nicht immer einfach.
Im Zentrum der Handlung steht Heinrich Krull (Jochen Deuticke), dessen Ehe mit Fanny (Ina Rottstegge) weniger aus Liebe als aus Gier und Verschwendung besteht.
Zwar wird geturtelt und geschnackselt, was das Zeug hält, aber eben nicht nur miteinander, sondern mit allem und jedem. Heinrichs Ziel ist klar: das Erbe seiner Tante Elsbeth (Mona Creutzer) in Form einer roten Kassette, die unermesslichen Reichtum verspricht. Denn Heinrich ist ziemlich pleite.
Das Ensemble zeigt unter Schmidts Regie, wie Gier, Neid und Eifersucht das Verhalten der Charaktere bestimmen. Alfons Seidenschnur (Jonas Laiblin) als Fotograf, der erst das Dienstmädchen Emma (Barbara Portsteffen) küsst, während er schon zur nächsten und übernächsten Frau schielt, Mona Creutzer als garstige Tante Elsbeth und Paula Luy als aufmüpfiges Töchterchen bringen den Zuschauer mal durch Slapstick, dann wieder durch Wortwitz und ganz viel Spielfreude zum Schmunzeln.
Bühne und Kostüme sind bunt und vielfältig, reichen vom 70er-Jahre-Anzug über das Tantchen-Kleid bis zum Punk-Outfit. Diese bewusste Mischung der Epochen hebt die zeitlose Relevanz des Stücks hervor, denn die menschlichen Abgründe, die Sternheim bei der Uraufführung 1912 thematisiert, sind auch heute noch allgegenwärtig.
Die „Kassette“ wird zur treibenden Kraft des Geschehens, als Sinnbild der materiellen Verführung und Macht. Heinrichs Korrumpierung durch die Aussicht auf Reichtum und die darauffolgenden familiären Verstrickungen symbolisieren eine Weltordnung, in der das Materielle über allem steht.
Die Inszenierung lässt keinen Zweifel daran, dass die Fragen von Geld und Moral immer noch brisant sind, macht sich aber auch ordentlich über genau das lustig.
Mit „Die Kassette“ hat das Theater K eine gelungene Inszenierung auf die Bühne gebracht, die Carl Sternheims beißende Satire und die doppelbödige Moral der bürgerlichen Gesellschaft zur Geltung bringt. Dazu kommt natürlich die wundervolle Kulisse der Ruine am Tuchwerk. \ kw
29.+30.8.
„Die Kassette“
20 Uhr, Ruine am Tuchwerk
theaterk.de
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