Düren? Da müssen Anja Dorn, Direktorin des Leopold-Hoesch-Museums, und die Pressereferentin Helen Dorn nicht lange überlegen, die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: „Wir sind absolute Düren-Fans!“ Dass die in Köln lebenden Kunsthistorikerinnen ausgerechnet die oft geschmähte Mittelstadt an der Rur ins Herz geschlossen haben, liegt natürlich auch an ihrem Arbeitsplatz, denn sowohl das Leopold-Hoesch-Museum wie auch das benachbarte Papiermuseum können sich sehen lassen – mit einem schmucken Museumsbau, einer tollen Sammlung und ebenso vielfältigen Programm.
Für Anja Dorn ist die ganze Region besonders: die Kunstmetropolen Köln und Düsseldorf strahlen genauso aus wie die Grenzstadt Aachen, in der man “ja schon fast in Frankreich ist“ und Düren habe allein wegen seiner Geschichte einen ganz eigenen Reiz. Die Kombination des klassischen Kunstmuseums mit einem kulturgeschichtlichen Museum birgt so manche Überraschung, denn durch die Unterstützung des im Jahr 1949 gegründeten Museumsverein konnte eine beachtliche Sammlung aufgebaut werden, die den Vergleich mit großen Häusern nicht scheuen muss: Die grafische Sammlung umfasst rund 10.000 Künstlergrafiken – Holzschnitte, Kupferstiche, Radierungen sowie Zeichnungen des 16. bis 21. Jahrhunderts.
In der bis Ende September laufenden Präsentation der grafischen Sammlung werden rund 60 Kunstwerke vorgestellt – von der „Anbetung der Hirten“ von Jan Lievens (1635) und „Die Beschneidung“ von Rembrandt (1654) über drei Arbeiten von James Ensor aus dem Zeitraum 1895 bis 1920, die sich durch zunehmende Abstrahierung auszeichnen, bis zu Raimer Jochims um 1970 entstandenen Selbstbildnis „Ich“, einer monochromen Fläche. Nach ihrer Lieblingsarbeit gefragt, verweist Anja Dorn auf eine kleine Arbeit von Eduard Manet von 1870: „Le queue à la boucherie“ zeigt vor einer Metzgerei wartende hungrige Menschen während des deutsch-französischen Krieges, bei der Manet die Dramatik der Situation mit wenigen Strichen erfasst hat.
Bei der Gemäldesammlung liegt der Schwerpunkt auf der Klassischen Moderne: „Tatsächlich spiegelt sich das Leid der Stadt auch in der Auswahl der Arbeiten der Sammlung, anders als die Kölner Haubrich-Sammlung, die viel mehr für Aufbruch steht“, kommentiert Anja Dorn. Nichtsdestotrotz bietet die Sammlungs-präsentation im Altbau außergewöhnliche Highlights: Der 1909 entstandene „Sommer-abend an der Alster“ von Max Liebermann gehört ebenso dazu wie das 1926 gemalte „Selbstbildnis mit Staffelei“ von Otto Dix oder „Die Rote Hexe“ von Hannah Höch. „Eine „beeindruckende Arbeit der Künstlerin“, die 1931 mit bunten Farben eine starke Frauenfigur schuf, ein Thema, dass Anja Dorn und ihr Team gerne in Szene setzen, denn neben den bekannten Künstlern der Klassischen Moderne gelte es auch die lange übersehenen Künstlerinnen zu entdecken. Und dann hängt da noch laut der Direktorin „einer der schönsten Kandinskys“, das Bildnis „Weißer Punkt“ entstand 1925 während seiner Zeit am Bauhaus. Ganz anders die „Kirche in Marseille“ von Max Beckmann (1931): Im Gegensatz zu seinen lichten Küsten-ansichten geben hier der enge Bildaufbau und düstere Farben einen Ausblick auf das, was in der Folgezeit kommen sollte.
Dass das Museum nicht nur Ort von Geschichten, sondern auch von Gefühlen sei, erläutert Dorn in der dicht gehängten Porträtgalerie. Die unterschiedlichen Gemälde ermöglichen ein konzentriertes Sehen-Lernen durch den Vergleich mit anderen Bildern und schaffen einen Bezug zur heutigen Selfie-Kultur, indem sie die Frage nach Repräsentation, Körperbewusstsein und Natürlichkeit stellen.
Jeder Ausstellungsraum birgt eine Entdeckung, vom Lichtraum Otto Pienes über das im Rahmen eines Forschungsprojektes zurückgekauften wichtigen Werks des Rheinischen Expressionismus von Heinrich Campendonk bis zur aktuellen Ausstellung „Was der Fall ist“ von Johanna von Monkiewitsch, deren poetisch-skulpturale Lichtarbeiten noch bis Anfang September zu sehen sind. Im benachbarten Papiermuseum knüpft die bis November laufende Ausstellung „Just Paper“ an die künstlerische Auseinandersetzung mit Papier an. Im lichten Museumsbau wird anschaulich – ergänzt durch lebhafte Mitmachprogramme – die Geschichte der Papierherstellung erzählt. Mit der Etablierung der „Modellfabrik Papier“ als regionale vernetztem Reallabor für die Papierindustrie blickt man in Düren, der unterschätzten Perle an der Rur, optimistisch in die Zukunft. \
RANDNOTIZ 1905 Einweihung des Leopold-Hoesch-Museums in Gedenken an den Dürener Industriellen Leopold Hoesch (1820-1899) 1944 Beschädigungen während des Luftangriffs auf Düren 1952 Wiederaufbau des neobarocken Gebäudes 1990 Gründung Papiermuseum 2010 Neubau „Günther Peill Forum“ als moderner Kontrast zum Altbau 2018 Neubau Papiermuseum Leopold-Hoesch-Museum Hoeschplatz 1 leopoldhoeschmuseum.de Papiermuseum Düren Wallstraße 2-8 papiermuseum-dueren.de
Nächste Termine:
September
Jeden ersten Donnerstag im Monat: Eintritt frei
Jeden ersten Sonntag im Monat: öffentliche Führung
5.9. Donnerstag, 17 Uhr: „Art & Drinks“
Buchpräsentation zur Ausstellung „Johanna von Monkiewitsch. Was der Fall ist.“ mit Johanna von Monkiewitsch, der Verlegerin Carmen Strzelecki und Markus Mascher
Leopold-Hoesch-Museum
Papier Museum Düren
Johanna von Monkiewitsch
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